Ostwald's Klassiker der exakten
Wissenschaften, no. 105, 1899
OUT 19ÖJ
Ankündigung.
Der groBsartige Aufschwung, welchen die Naturwissenschaften
in unserer Zeit erfahren haben, ist, wie allgemein anerkannt wird
nicht zum kleinsten Masse durch die Ausbildung und Verbreitung der
Unterrichtsmittel, der Experimental vorlesungen,Laboratorien u.s.w.
bedingt. W&hrend aber durch die vorhandenen Einrichtungen zwar
die Kenntniss des gegenwärtigen Inhaltes der Wissenschaft auf das
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fbruemuen vreaanxen.
Die Klassiker der exakten Wissenschaften sollen ihrem
Namen gemäss die rationellen Naturwissenschaften, von der Mathe-
matik bis zur Physiologie umfassen und werden Abhandlungen aus
den Gebieten der Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie
(einschliesslich Krystallkunde) und Physiologie enthalten.
Die allgemeine Redaktion führt von jetzt ab Professor emer.
Dr. Arthur von Oettingen in Leipzig; die einzelnen Ausgaben
N
Vg auf der dritten Seite «Ist Umschlaflss
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Geb. den 17. Februar 1605 in Tübingen;
gest. den 1 1 . September 1721 in Tübingen.
lieber
HiilH
oes-
IS9^
DAS GESCHLECHT DER PFLANZEN.
(De sexu plantarum epistola.)
1694.
Von
R. J. CAMERARIUS.
Uebersetzt und herausgegeben
von
M. Möbius.
Mit dem Bildniss von R. J. Ca.merakiu
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1899.
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Einleitung,
»Rudolf Jacob Camereb ist unsti’eitig der erste, der das
Geschlecht der Pflanzen durch eigene in dieser Absicht ange-
stellte Versuche bewiesen: er, mein Landsmann ist es, dem
die gelehrte Welt diese grosse Wahrheit, die so allgemein und
von einem so grossen Einflüsse auf die physikalischen und
ökonomischen Wissenschaften ist, vornehmlich zu danken hat.
Camereb ist es, der alles, sowohl was in den ältesten, als
neueren Schriften seiner Zeit von dieser Materie vorgekommen,
auf das gründlichste beurtheilt, mit einander verglichen, und
nebst einer Menge von eigenen Beobachtungen und nützlichen
Anwendungen, wodurch die Theorie dieser Wahrheit immer
mehr bestärkt worden, in einem Briefe an den Mich. Bernhard
Valentin der gelehrten Welt vorgelegt hat. In dieser Schrift,
die an Gründlichkeit, Vollständigkeit und guter Ausführung
noch bis auf den heutigen Tag die allermeisten Schriften dieser
Art, die bisher ans Licht gekommen, weit übertrifft, schien
er alles, was nur zu seiner Zeit von dieser Materie hätte ge-
sagt werden können, auf einmal erschöpft zu haben.«
Mit diesen Worten kennzeichnet Jos. Gottl. Külbeuter
die Bedeutung der Schrift, von der wir jetzt die erste deutsche
Uebersetzung bringen, in so treffender Weise, dass wir weiter
nichts hinzuzufügen haben und damit die Aufnahme des Briefes
in diese Ausgabe der Klassiker der exacten Naturwissenschaften
begründen können. Auch ist ja heutzutage kein Zweifel über
das Verdienst des Camebarius, das in Sachs’ Geschichte der
Botanik (p. 416 ff.) die entsprechende Würdigung findet.
Rudolf Jacob Camebarius, Sohn des Elias Rudolf C.
(1641 — 1695), des Urenkels des älteren Joachim C^vmerarius
(1500 — 1574), ist am 12. Februar (nach anderer Angabe am
17. Febr.) 1665 zu Tübingen geboren, studirte daselbst, ward
1679 Baccalaureus , 1682 Magister, unternahm 1686 — 1687
Reisen in Deutschland, Holland, England, Frankreich und
1 *
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IV
Einleitung.
Italien, empfing 1687 den Doctor-IInt aus seines Vaters Hand,
und wurde 1688 zu Tübingen ausserordentlicher Professor der
Medicin und Director des botanischen Gartens und endlich
1695 nach dem Tode seines Vaters ordentlicher Professor.
Schon vorher war er in die deutsche Akademie der Natur-
forscher als Mitglied unter dem Namen Hector H. auf-
genommen worden. Er starb am 11. September 1721. Er
hat eine grosse Anzahl medicinischer und botanischer Schriften
hinterlassen, von letzteren sollen weiter unten die hauptsäch-
lichsten angeführt werden, ohne dass damit das Verzeichniss
als vollständig bezeichnet werden soll. Jedenfalls ist die
wichtigste seiner Schriften eben die Epistola de sexu plan-
tarum. Dieselbe erschien zuerst als selbständiges Buch unter
dem Titel; Aeademiap Caemreo Ijtopold. N. C. Hcctaris II.
Riidolphi Jacobi Camerarii, Professoris Tubingmsis. ad Thessa-
lum, D. Mich. Bernardum Valcntini, Professorem Gicssetisem
eoKeüentissimum, de sexu ])Ia?itarum cpistola. Tubingae, Tgpis
Vidiuie Rommcii, A. MDCXCIV. 8". 110 pp. Als Motto ist
eine Stelle ans Theophrast vorangesetzt: "Oitjg öe noXvyovx'
rh TÜv OvT&v y.al 7toiy.i).ov, y.ai xctXeTthv elTtsiv y.aih}kov.
(Ueberhaupt ist das Wesen der Pflanzen verschiedenartig und
mannigfaltig und schwer im Ganzen zu beschreiben.) Dem
Briefe (p. 1 — 80) folgt (p. 80 — 84) eine Ode von 26 Strophen,
die nicht von CAMERAiirus selbst abgefasst ist, wie schon aus
der 25. Strophe (conf. Uebersetzung) hervorgeht. Wer ihr
Verfasser ist, das ist unbekannt und wird es wohl auch bleiben;
Sachs (1. c. p. 421) vermuthet einen Schüler des Cajieeakius.
Sie ist überschrieben A. A. (? Ad Amicum) und unterschrieben
f. (? fecit) A. E. (? Name des Autors). Ihr Anfang ist eine
Nachahmung von dem der bekannten ersten Ode im dritten
Buch des Hohaz und wie diese ist sie im alcäischen Vers-
maasse abgefasst. Es folgen darauf zwei Appendices, die
zwei auf den Seiten 19 und 49 (des Buches) envähnte Reden
enthalten. Die erste behandelt die Gallen der Eichen, und
ist auch in der späteren Ausgabe von Mikax abgedruckt (s.
unten p. IX). Die andere bezieht sich auf eine Stelle, die in
den späteren Ausgaben und auch in dieser Uebersetzung weg-
gelassen ist, und handelt : de generatione ex Primaevo Semine
(über die Entstehung ans dem ursprünglichen Samen); sie be-
schäftigt sich mit der Erklärung zweier Stellen aus dem Ari-
stoteles (de plantis lib. U und de generatione animalium lib. II)
und kann deshalb liier wohl füglich unberücksichtigt bleiben.
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Einleitung.
V
Diese erste Ausgabe vom Jahre 1694 scheint ziemlich selten
zu sein; ich habe durch die Gefälligkeit der Tübinger Uni-
versitätsbibliothek ein Exemplar zur Einsicht erhalten.
Von diesem Briefe hat darauf Valentin: , an den er ge-
richtet war, einen Auszug veröffentlicht in den Ephemerides
Germanicae (oder Miscellanea curiosa) der Academia Caesareo-
Leopoldina Naturae Cmdosorum, Decuriae III. Annus III.
Appendix, p. 31 — 36 unter dem Titel: Dn. D. JRudolphi Jacobi
Camcrarii Med. D. et P. P. Äcad. Caesareo-Leopold. N. C.
(Jolleg. d. Ilect. II. ad Dn. D. MkJiaelem Bernardum Valentim,
Prof. Gicsseniim et Gnrios. Thessalum De sexu phfitarum
epistoln.*) Das Jahr der Abfassung wird hier nicht angegeben,
der betreffende Band aber ist von 1696 datirt. Auf diesen
Brief folgt (1. c. p. 37 — 40): Dn. D. Michaelis Bernardi Va-
Icntini Responsoria ad Dn. D. Rvdolphi Jacobi Camcrarii Epi-
stolam de sexu plantartim ohne Jahresangabe. Das Antwort-
schreiben beginnt sehr launig mit den Worten: >Sexus mei
prorsus obliviscor, quod politissimao et omnino tenerae Tuae
de sexu plantarum Epistolae non citius respondeam, cum Viros
id prompte expedire deceat, quod foeminae (quae dum comun-
tur annus est) nimis retardare solent.« Im Uebrigen enthält
er ausser Lobeserhebungen nur einige Andeutungen, wie die
Schwierigkeiten, die Cämeuarius zuletzt in Hinsicht auf die
Nachweisung der Geschlechtlichkeit der Pflanzen erwähnt,
vielleicht zu lösen seien: die Schachtelhalme könnten doch
ausser dem Pollen (Sporen) vielleicht noch versteckte Griffel
besitzen; die weiblichen Pflanzen von MercurialLs**) und die
der männlichen Blttthen beraubten Pflanzen von Zea. die ohne
Bestäubung auch Früchte producirt hätten, seien doch vielleicht
durch weither vom Wind getragenen Pollenstaub der betreffen-
den männlichen Blüthen befruchtet worden.
*) Valentin giebt sich nicht als Verfasser dieses Auszuges an,
sondern wir wissen, dass er es ist, nur aus Kölreuter’s Historie
der Versuche etc. (vergleiche unten p. X N. 17), der mit Recht
diesen Auszug > unvollständig und fehlerhaft« nennt und dieses Ur-
theil ausführlich begründet. Vergl. hierzn auch Sachs, Gesch. der
Botanik, p. 434,
**) Valentin verwechselt hier Mercurialis mit Cannabis, denn
von der weiblichen Pflanze des ersteren hatte Camerarius bei
ausbleibender Bestäubung lauter taube Früchte erhalten (vergl.
p. 2-i), bei letzterer aber hatten sich einige Früchte mit Samen
trotz der fehlenden männlichen Blüthen entwickelt (vergl. p. 48 — 49).
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VI
Einleitung.
Ansfilhrlich abgedruckt ist dann die Epistola des Came-
BAKIU8 zuerst in Michaelis Bernardi Valcntini Prof. Medici et
23. t. Äcad. Gisse3iae Pectoris Polychresta exotiea in curandis
affcctibus contumadssimis j^obatisswia etc. Accedunt seorsim
oliin editae, 7iunc autem, ad desiderium j)lwimorum, conjunctim
denuo prodeuntes IHssertationes ej3istolicae varü argwiienti. Hier
ist als Apendix I abgedruckt: de sexu plaiitanmi cjyistola D.
Pudolphi Jacobi Camemrii, Profess. Tubingensis ad D. Mich.
Bernhard. Valcntini PP. Gissensem (p. 225 — 271) und als
Appendix U die oben erwähnten Responsoria (p. 272 — 274).
Von den Polychresta exotiea liegen mir zwei sonst ganz gleiche
Ausgaben vor, die eine Francofurti ad Moenum, Sumptibus
Johannis Davidis Zunneri, Bibliopolae, 1700, die andere Franco-
furti ad Moenum, Praestat in officina Joannis Adami Jungii
1701.
Darauf erscheint unsere Epistola, und in dieser Ausgabe
ist sie wohl am bekanntesten, beigefügt >propter materiae
nexum« dem Sermo academicus de novorum vegetabilium ])ost
creationem divnmm exortu des Johann. Georg. Gmelin (Tü-
bingen 1749).
Beide Ausgaben, die von Valentin und die von Gmelin,
werden von Sprengel in seiner Geschichte der Botanik
(n. Band, p. 25. 1818) citirt. Im Jahre 1797 schliesslich
hat der Professor der Botanik zu Prag, Johann Christian
Mikan , die Opuscula botanici argumenti des Camerarius,
unter ihnen die Epistola und mit ihnen einige andere, die wii’
sogleich anführen werden, herausgegeben. Diese drei späteren
Ausgaben haben mir Vorgelegen und stimmen ganz wörtlich
mit einander überein, von der ursprünglichen unterscheiden
sie sich nur durch die Weglassung der oben angedeuteten und
unten p. 31 Anm. citirten Stelle.
Was die GMELiN’sche Ausgabe anbetrifift, so wird in der
Praefatio (p. 3 — 4) von Gmelin erklärt, warum er mit seiner
Rede die Epistola des Camerarius zugleich herausgiebt : er
wünscht, dass das Büchlein etwas umfangreicher sei und da
er bei der Abfassung seines Sermons neben anderen Schriften
hauptsächlich jene benutzt habe, dieselbe auch nur in Weniger
Händen sei, so scheint es ihm am geeignetsten, dass er beide
zusammen drucken lasse, wodurch er zugleich zu bewirken
hofft, »ut meo sermoni aliquod patrocinium nactus sim et vino,
forte non admodum vendibili, hederam suspenderim. « Dem
Sermon geht nun voraus ein vom Rector der Tübinger
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Einleitung.
VII
Universität verfasster und jedenfalls auch gesprochener Pane-
gyricus (p. 5 — 39) auf Gmelin, der am Tage vorher zum
ordentlichen Professor der Botanik und Chemie ernannt worden
war; er enthält eine ausführliche Lebensbeschreibung und be-
sonders eine Schilderung der bekannten Reise nach Russland
und Sibirien, die Gjielin in den Jahren 1733 — 1744 im Auf-
träge der Kaiserin Anna von Russland mit einigen Gefährten
unternommen hatte. Nach dieser Reise war er Professor der
Naturgeschichte bei der Akademie in St. Petersburg geworden,
er blieb aber daselbst nur vier Jahre, Eiränklichkeit und Sehn-
sucht trieben ihn in sein Vaterland zurilck, wo er in Tübingen
mit grossen Ehren aufgenommen und, wie eben erwähnt, zum
Professor ernannt wurde, aber bald darauf 1755 (im 46. Lebens-
jahre) starb. Seine am 22. August 1749 gehaltene Rede
(p. 40 — 82) erörtert die Frage, ob ausser den von Gott ge-
schaffenen Arten nachträglich neue entstehen können? Diese
Erörtenmg ist, in Hinsicht auf die damalige Zeit, nicht nur
ihres Inhaltes wegen von Interesse, sondern auch für uns ins-
besondere wegen der häufigen Berufung auf die Epistola des
C.\MERARIU8 , so dass es sich verlohnen dürfte, ihren Inhalt
in Kürze hier wiederzugeben.
Sie beginnt mit einer Aufzählung der vegetativen Ver-
mehiTingsweisen der Pflanzen, wobei natürliche und künstliche
unterschieden werden. Zn letzteren gehört das Pfropfen und
bei dieser Operation entstehen neue Varietäten, deren Säm-
linge aber in die wilde Sorte Zurückschlagen, so dass also
auf diese Weise keine neue Arten entstehen. Dann wird zur
Beschreibung der Samenbildung und der Blüthen übergegangen
und dargelegt, dass zu ersterer die Bestäubung der Narbe mit
dem Pollen nothwendig ist, wie es Camekaäius nachgewiesen
hat. Erwähnt werden Bastarte von rothen und weissen Tulpen,
die theilweise die Eigenschaften der Eltern gemischt zeigen.
»Die Geschlechtlichkeit der Pflanzen, sagt Gmelin, wird also
Niemand ferner leugnen, wenn er nicht durch Vorurtheile ver-
blendet ist.« Allein die erzeugten Bastarte sind keine neuen
Arten, weil ihre Nachkommen wieder in die ursprünglichen
Formen Zurückschlagen, zum Charakter der neuen Art aber
die Constanz der neuen Eigenschaften gehört. — Verf. glaubt
nun einen Aufschluss von anderer Seite gewinnen zu können,
n.ämlich durch Vergleichung der Verhältnisse bei den Pflan-
zen mit denen der Thiere. So vergleicht er auch die Er-
n.ährnng der Pflanzen mit der der Thiere, bevor er auf die
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vm
Einleitung.
Geschlechtsverhältnisse eingeht. Zwei Einwürfe gegen die
Analogie in beiden Reichen sucht er zu entkräften: erstens,
dass bei Thieren Zwitter sehr selten seien und deswegen,
wenn die meisten Pflanzen Zwitter seien, dies Zweifel über
die Geschlechtlichkeit der letzteren überhaupt erwecke; ein
Einwand, der natürlich leicht zurückzuweisen ist. Zweitens
widerspreche der Analogie die häufige vegetative Vermehrung
bei den Pflanzen und das Fehlen derselben bei den Thieren ;
hier erinnert der Verf. an die Vermehning der Polypen durch
einfache Theilung und an die ungeschlechtliche Fortpflanzung
bei den Blattläusen. Es besteht also eine Analogie, und
wenn bei Thieren die Entstehung neuer Ai’ten nachgewiesen
werden könne , so dürfe diese Möglichkeit auch auf die
Pflanzen übertragen werden. Dass nun die durch Kreuzung
verschiedener Thierarten erzeugten Bastarte neue Arten seien,
ist deswegen nicht anzunehmen, weil, soweit man weiss, diese
Bastarte schon selbst steril oder aber die erste Generation
ihrer Nachkommen steril ist. Immerhin sei die Frage für die
Zukunft noch offen zu lassen. Als neu entstandene Art gilt
die von LiNNfi beschnebene Pelorie, welche aus einer Linaria
entstanden sein soll: Verf. giebt dies aber nur für den Fall
zu, dass die Fruchtbarkeit ihrer Samen und die Beständigkeit
ihrer Eigenschaften nachgewiesen würde; dann sei es aber
immer nur ein einziges Beispiel, denn die andern von LiXNf:
für Hybride angesehenen Arten sind in dieser Hinsicht zweifel-
haft. So kommt er denn zu dem Schluss, dass noch lang-
jährige Experimente nothwendig seien, bevor die Frage in
bejahendem oder verneinendem Sinne endgültig beantwortet
werden könne. Auf diese Rede folgt nun unmittelbar p. 83
— 148 die Epistola des Cameräeius mit der Ode.
In die von Mikan herausgegebene Sammlung sind folgende
Abhandlungen aufgenommen :
1) Cameranus, De usu haccanim solani racemosi tinctoni
americani pro confectione alkermcs. (Ephemerid. Germ.
Decur. II. Annus VI. p. 189. 1088.) p. 1 — 6.
»De baccis Phytolaccae agit, pro Cocco in confectione
alkermes adhibitis« Haller, Bibi. bot. T. I. p. 625.
2) Idem, De Fungo calyciforrni seminifei'o. (Ephemerid.
Germ. Decur. II. Annus VII. p. 303. 1688.) p. 7 — 11.
Es handelt sicli um Crucibulum oder Cyathus.
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Einleitnng.
IX
3) Idem, De Lolio tcmulento. (Ephemerid. Germ. Decur. II.
Anmis VIII. p. 430. 1690.) p. 12 — 16.
Besprechung seiner Eigenschaften und Heilkräfte.
4) Idem, Semimi mori siibventanea. (Ephemerid. Germ.
Decnr. II. Annus IX. p. 212. 1691.) p. 17 — 19.
Die hier mitgetheilte Beobachtung wird in der
Epistola erwähnt.
5) Idem, Ccrinllie tetraspermos. (1. c. p. 214.) p. 20 — 23.
Nachweis, dass Cerinthe zu den Asperifolien gehört.
6) Idem, Ova mercurialis subventanea. (Ephemerid. Germ.
Decur. II. Annus X. p. 90. 1691.) p. 24 — 27. Wie 4.
7) Idetn, De fhnbiis radiaUs discoidcis. (Ephemerid. Germ.
Decur. III. Annus I. p. 174. 1693.) p. 2S — 30. Wie 4.
S) Idem, Oratio de quercuum gaUis, quac legitur in epistola
ejus de sexu plantanim scripta ad Dn. I). Michael. Bern-
hard. Vakntini Oiiriosor. Thessalum, Profess. Oiesens.
[Ephemerid. Germ. Decur. III. Annus U. Append. p. 37.
1695.) p. 31—42.
Hier macht Mikän die Anmerkung; >Da diese Rede
sich nicht in dem citirten Briefe befindet, wie er in
den Ephemerid. Germ, enthalten ist, noch in jenem,
den JoH. Georg. Gmelin herausgegeben hat, so muss
sie um so mehr hier aufgenommen werden.«
Man hatte eine Eiche gefunden, die scheinbar
Beeren (Weinbeeren) als Früchte trug. Cameuabixjs
hatte selbst einen solchen Zweig erhalten und er-
kannte richtig, dass es Gallen an den männlichen
Blüthen der Eiche seien. Diese Erscheinung wird
hier besprochen und erklärt.
9) Idem, De sexu plantamm epistola. {*Prout illam edidit
Jannus Georgius Gmelin. Anno 1740. Tubingae.*)
p. 43 — 11 7.
10) Idem, Do sexu plantamm epistola. (Ephemerid. Germ.
Decur. HI. Annus IH. App. p. 31. 1696.) p. 118—124.
Siehe oben p. V.
11) Dn. D. Michaelis Bemhardi Vakntini responsmüi etc.
p. 125 — 128. Siehe oben p. V.
12) Camerarius, De Lolio temidento. (Ephemerid. Germ.
Decur. III. Annus III. p. 238. 1695.) p. 129—140.
Neue Erfahrungen und Beobachtungen über den-
selben Gegenstand wie in 3) und NachAveis, dass
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Einleitung.
aus gewöhnlichem Weizen kein Taumellolch entstehen
könne.
13) Epi^tola ab amico anonymo Nonmbergam ad Ephemeri-
dum directorcm per Excell. Dn. D. David Splcissium de
tisci generatiom et propagatione. (Ephemerid. Germ.
Decur. III. Annus IV. App. p. 49. 1697.) p. 141 — 145.
Es wird nach angestellten Beobachtungen mitge-
theilt, dass die Mistel kein Auswuchs des Baumes sei,
sondern aus Samen entstehe, mögen dieselben vorher
von Vögeln gefressen worden sein oder nicht.
Hieran schliesst sich (p. 146 — 148) ein Schreiben
>a Cive Atlantico, ex Atlantide 14. Maj. 1696«, in
welchem dem CA\LERAEru8 der Vorwurf gemacht wird,
er habe jene erste Abhandlung bei der Abfassung
seines Aufsatzes über die Mistel (Ephem. Dec. UI.
Ann. 1} benutzt und seine Angaben über die Kei-
mung der Mistel seien nicht richtig.
14) Camerarius, de generatiom visci uni vorn. (Ephemerid.
Germ. Dec. lU. Ann. V et VI. p.264. 1697.) p. 149 — 152.
Der ihm im vorigen Schreiben gemachte Vorwurf
wird zurückgewiesen.
15) Camerarius, de spinachia et urtica androgynis. (Epheme-
rid. Germ. Decur. III. Annus V et \T. p. 484. 1698.)
p. 153—156.
Verf. theilt seine Beobachtungen über das Vor-
kommen männlicher Blflthen an weiblichen Exemplaren
von Spinacia und Urtica mit. Er fügt hinzu (p. 157
— 160): hic placet adnectere quaedam sexus variantis
specimina: es sind Beobachtungen Anderer überZwitter-
blüthen von Zrn, über Acer mgundo und Juniperus
mit männlichen und weiblichen Blüthen an einem
Stock.
16) Camerarius, de fructibus prunorum monstrosis. (Ephe-
merid. Germ. Decur. UI. Annus IX et X. p. 137. 1701.)
p. 161—164.
Verf. beschreibt sogen. Taschenpflaumen und ist
der Ansicht, sie seien, wie Windeier, aus unbefruch-
teten weiblichen Blüthen entstanden.
17) Joseph Gottlieb Kölreuter, Historie der Versuche, welche
vom Jahre 1691 an bis auf das Jahr 1732 über das Ge-
schlecht der Pflanzen angcstellt worden sind; nebst einer
historisch-physilcalisehen Erörterung , dass Rudolph Jacob
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Einleitung.
n
(Janiercr der erste gewesen^ der diese für die physikalischen
und ökonomischen Wissenschaften so wichtige WaJirheit
durch eigene in dieser Absicht angesteüte Versuche erwiesen.
fEx Comment. Academ. Theodoro-Palat. p. 21.) p. 165
— 198.
Au 3 dieser Schrift ist die im Eingänge der Ein-
leitung citirte Stelle entnommen. Mieän macht hier
die Anmerkung, dass Johann Gustav Wahlboen in
seiner Dissertation: Sponsalia plantarum (Upsala 1746,
unter dem Vorsitze Linne’s vorgelegt) schon ausge-
sprochen habe, dass Cameeabius zuerst deutlich das
Geschlecht und die Fortpflanzung der Pflanzen nach-
gewiesen habe.
. 18) Joseph Gottlieh Kölreuter, Historisch -physikalische Be-
schreibung der wahren männlichen Zeugungstheüe^ mul
der eigentlichen Befruchtungsart bey der Schwalbenwurz,
und den damit verwandten PflanzengescMechtem. (Ex
Comment. Acad. Theodoro-Palat. p. 41.) p. 199 — 224.
Beschreibung des Blüthenbaues bei den Ascle-
piadeen.
Dies also ist der Inhalt des von Mikan herausgegebenen
Sammelwerkes. Es enthält keineswegs sämmtliche Schrif-
ten des Cameeabius, wie aus den von Halleb in seiner
Bibliotheca botanica (Zürich 1771, Bd. I, p. 624) nnd von
Peitzel in seinem Thesaurus Literaturae Botanicae (Lipsiae
1851) gegebenen Verzeichnissen hervorgeht. Peitzel berück-
sichtigt bekanntlich nur die selbständig herausgegebenen
Schriften und führt von solchen des Cameearius folgende an:
De plantis remis. Tuebingiae 1688. 4. 22 p.
De Herba miniosa seu sentiente. Tuebingiae 1688. 4. 20 p.
De convenientia plantarum in fructificatione et viribus.
Tuebingiae 1699. 4. 16 p.
De Scordio. Tuebingiae 1706. 4. 24 p.
De ustilagine frumenti. Tuebingiae 1709. 4. 16 p.
De Lolio tnnulento. Tuebingiae 1710. 4. 24 p.
Biga botanica sc. Cervaria nigra et Pini coni. (Linum
etiam cathartiemn.) Tuebingiae 1712. 4. 16 p.
De Ulnuiria. Tuebingiae 1717. 4.
De Fumaria. Tuebingiae 1718. 4. 14 p. (nach Hallee
1710).
De Bubo idneo. Tuebingiae 1721. 4. 20 p.
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xn Einleitung.
Hierzu können aus dem Verzeichniss von Haller noch
hinzugefügt werden:
De Gichorio disputatio I. Tubing. anno 1690. 4“. und
II. anno 1691. 4®.
De Fnimenti semente et messe. Anno 1695. 4®.
Haller zählt auch die in den Ephem. Nat. Cur. abge-
druckten Aufsätze auf imd von diesen sind , als in der
MiKAJj’sche Ausgabe nicht vorhandene, hier noch folgende
anzuftlhren, wobei dem von Haller gegebenen Titel, wenn
er von dem ursprünglichen ab weicht, der letztere noch in
Klammern nebst der betreffenden Stelle in den Ephemeriden
und dem Jahre beigefügt ist.
De fungulis Brasswae jyro scmine habitis (= De semine
Brassicae. Decur. HI. Annus I. p. 171 — 173. 1693),
De germvuatioTu; J^ci {= De Baccanim visci germinatione.
Decur. III. Annus I. p. 173 — 174. 1693).
De nsu radüns Sgmphyti in Ischiade (Decur. HI. Annus
V et VI. n. 16. 1697).
De Adianto aureo, spante in rudcribus nato (1. c. n. 17.
1697).
De Cgnthoidis semim sterili (= De fungo credito semini-
fero. Decur. IH. Annus V et VI. p. 624 — 626. 169S).
De Bibis nigri vi mcdiea et de acetario ex Onngra (=
Cassis; Ribes Kigrum: Cerasus, onagra, tetragouolobus.
Ephemerid. Cent. VII. Obs. 16. p. 272 — 277. 1717).
De varictate in primis initiis plantamm. Mireris, si qua-
tuor plantulae in uno grano hordei fuerint. (= Charac-
ter Plantarum internus. Ephemerid. Cent. X. Obs. 5.
p. 259— 261. 1719.)
Schliesslich sei erwähnt, dass ein Bild unseres Autors,
des CAJtERARius, sich in den Act. Nat. Curios. vol. I (1725)
findet, gestochen von JoH. Curistopii Dehne. Nach diesem
sehr mittelmässigen Stich hat J. Berka einen neuen kleineren
angefertigt, welcher der MiKAx’schen Ausgabe beigegeben ist.
Das unserer deutschen Ausgabe beigefügte Bild ist nach jenem
ursprünglichen Stiche hergestellt.
Wir geben nun in Folgendem eine deutsche Uebersetzung der
in einem ziemlich barbarischen Latein geschriebenen Epistola de
scxu plantamm und fügen derselben eine grössere Anzahl von
Anmerkungen hinzu, welche zum Verstäiidniss nöthig sein
dürften. Die Uebersetzung ist nach der GMEUN’schen Aus-
gabe angefertigt worden. Dabei ist besonderer Werth darauf
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Einleitung.
xni
gelegt, möglichst jedes Wort wiedeizugeben, was freilich viel-
fach Schwerfälligkeit im Ausdruck bewirkt und die deutsche
Sprache in, ihr ungewohnte, lateinische Construetionen presst,
wofür hiermit um Entschuldigung gebeten wird. Die lateini-
schen Namen von Pflanzen sind meistens ins Deutsche über-
setzt und zur Vermeidung von Ii-rthümern und mit Rücksicht
auf Ausländer ist dem deutschen Namen die jetzt übliche
wissenschaftliche lateinische Bezeichnung in Klammer beige-
fügt worden, z. B. Frumentum turcicum = türkischer Weizen
[Zca], In vielen Fällen genügt ja die Angabe der Gattung,
zumal wenn Camehärius sich auch nur auf die Gattung be-
zieht; bisweilen ist noch die lateinische Bezeichnung des
Camerarius angegeben und einige Namen sind in den An-
merkungen erläutert. Die Uebertragung der lateinischen Ode
in die deutsche Ode von gleichem Versmaass verdanke ich
Herrn Robert Askenasy in Frankfurt a. M. , der diese ziemlich
schwierige Aufgabe mit Geschicklichkeit gelöst hat. Da die
Abfassung der Ode im Jahre 1694 zeigt, wie hoch die Ent-
deckung des Cajierarius sogleich geschätzt wurde, erscheint
deren Wiedergabe in der Uebersetzung angemessen und ist
lioffentlich den Lesern der Epistola willkommen.
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Des ß. J. Camerarius Brief:
lieber das Geschlecht der Pflanzen.
Vortrefflichster!
Diese Epistel zu schreiben bin ich dadurch veranlasst
worden, dass gewisse Leute behaupten, sie könnten die rich-
tigen Wahrnehmungen der Menschen von den eingebildeten,
wie die wahren Farben von den scheinbaren unterscheiden,
indem jene für alle die gleichen seien, diese aber für die ein-
zelnen verschieden erscheinen. Denn schon lange und eifrig
mit der Frage nach der Geschlechtlichkeit der Pflanzen be-
schäftigt, sehe ich mich um, wem ich am besten meine Wahr-
nehmungen zur Prüfung unterbreiten könne : und siehe da fällt
mein Blick zuerst auf Dich, mein Thkssai.us '), denn ich weiss,
dass die einst auf einer Reise nach Holland unter uns ge-
schlossene Freundschaft, sowie die gemeinschaftlichen Studien
in der experimentellen Wissenschaft, die Du ja neulich in Deiner
Inaugural-Rede gepriesen hast, Dich mir aufs engste verbinden,
und so hoffe ich, es werde Dir weder dies öffentliche Zeugniss
unserer Freundschaft unangenehm sein noch dieses Mittel zur
Lösung der Schwierigkeiten der Beweisführung ungeeignet er-
scheinen. Indem ich also von allem ferner Liegenden absehe,
will ich meine Gründe anführen, warum die von den Botanikern
so oft verworfene Geschlechtlichkeit der Pflanzen mir sehr
wahrscheinlich ist, aber noch nicht ohne Furcht vor Gegen-
gründen angenommen werden kann; Dir aber will ich genau
darlegen, was mich einerseits dafür einnimmt, andererseits
davon abhält. Bei diesem Unternehmen halte ich es für der
Mühe werth, sowohl meine eigenen als auch die Gründe anderer
{inzuführen, wie sie die berühmten englischen Forscher Nehe-
iUAS Grew^) und .Johannes Ra-ius^) mir liefern. (Andere
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R. J. CamerariuB.
Begründer oder Vertheidiger dieser Ansicht sind mir bisher
nicht bekannt geworden, nnd nnr den C. Stürsuus^) finde ich
in seinen Phys. concil. und Disput, de Gener. meine Ansicht
unterschreiben.) Daraus wird man sehen, aus welchen Gründen
sie seihst sich zu jener Ansicht bekennen nnd ans welchen ich
zu ihr gelangt hin. Aber auch die Bedenken, die mir selbst
aufgestossen sind (denn ich wüsste nicht, wer sonst öflfentlich
gegen unsere Ansicht von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen
etwas geschrieben hätte) und die ich noch nicht zu beseitigen
im Stande gewesen bin, will ich getrenlich hinznfügen und, so
meiner Pflicht genügend, Zusehen , welchen Eindruck auf Dich
die Lehre von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen macht, ob
den gleichen wie mir oder einen anderen , ob also meine
Wahrnehmungen richtig oder eingebildet sind.
Lass mich also zuerst von einer Beschreibung der Pflanzen
ausgehen, wobei ich mich möglichst kurz fassen will. Ich be-
ginne mit der Betrachtung der Blüthen: diese, die Vorläufer
der Samen, bieten hauptsächlich zweierlei Bemerkenswerthes,
die Blumenblätter und die Staubbeutel [apices] *) der Staub-
fäden*). Bei einem grossen Theile der Pflanzen finden sich
beide, aber nicht bei allen: bei einigen nämlich entbehren die
Blüthen der Blumenkrone oder der durch den Geruch und die
so verschiedene Gestalt sich auszeichnenden Blumenblätter und
weniger ansehnlich, besitzen sie nur die Staubgefässe ; ard-T]
yvoiöör] hat sie einst Tueophrast genannt, was seine Ausleger
mit »wolligen oder moosartigen Blüthen« wiedergegeben haben,
Blüthen mit Staubfäden {flores staminei: nennt sie J. Jungiusö)
im Gegensätze zu den Blüthen mit Blumenblättern (foliacei
flores^ tiv&t] fpvXXcjörj), für welche der von Fabius Columna’)
gegebene Namen Petahx mit Recht beibehalten wird. Während
also die Blüthen der Pflanzen mit Petalen nicht ohne Stauh-
beutel zu sein pflegen, von denen natürlich je nach der
Pflanzenart mehr oder weniger vorhanden sind, giebt es
Blüthen ohne solche Petalen und nichtsdestoweniger bildet sich
reifer Samen, wie bei den anderen, aus. Da ausserdem nicht
nur die Rose [jRosa] z. B. und die Lilie [Lnlium ] , sondern
auch die Rebe [FiVw] und der Weizen [Tntiimvi] etc. Blüthen
haben, so scheint jedenfalls der Schluss gerechtfertigt, dass
die Staubbeutel in Wahrheit und ganz eigentlich die Blüthen
Das in eckigen Klammern Eingeschlossene ist Zusatz des
Uebersetzers.
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
3
selbst seien, und dass sich die Pflanze mit diesen in Abwesen-
heit dev Petalen begnüge. Dass die Kritiker dies zngeben,
habe ich neulich zu meinem Erstaunen gesehen: Sai.masius^)
citirt nach Plinius die gelben Antheren, die in der Mitte der
Kose stehen, und will, dass das Gelbe in der Blüthe (ro /.qo-
7.o)Öe^ nach Dioscoridks) “) eigentlich als Blüthe bezeichnet
werde. (Es muss nämlich dreierlei unterschieden werden, was
rroeus genannt wird: die Crocuspflanze oder -blüthe, die Staub-
beutel der Staubgefässe und das Gewürz, nämlich die eigen-
thumlichen Narbenfasern aus der Mitte der Crocusblüthe.) So
nennt Wedel die Narcisse [Ahrcmzw] , der Ovid eine gelbe
Blüthe umgeben von weissen Blättern zuschreibt, nur in der
Mitte gelb, und die Aster Aster Amellus], die nach Viroil
eine goldene Blüthe hat, nennt er so wegen der goldenen
oder gelben Stanbbentel und noch deutlicher zeigt er dies am
MelihtiisA" In Uebereinstimmung hiermit nimmt man an, dass
die Staubgefässe der Rose mit den gelben Staubbeuteln in den
Apotheken darum Antheren genannt werden, weil sie das
uvO-ni^ Qodnv, die eigentliche Blüthe der Rose, sind.
Wenn die Staubbeutel zur vollkommenen Entwickelung ge-
langt sind, so zeigen sie verschiedene Farben, hier gelblich,
dort schwefelgelb, manchmal auch purpurn, und erweisen sich
als eine Art von Gefässeu oder Kapseln, jede auf ihrem Faden
oder Stiele sitzend; sie pflegen sich dann noch weiter zu öffnen
und meistens in zwei Furchen oder Fächern aufzuspringen.
Zu dieser Zeit sieht man sie mit einem ziemlich feinen und
zarten, gleichfarbigen Staub erfüllt, der von ihnen ausgestreut
und in der Umgebung verbreitet wird. Dieser Staub ist es,
der die Nase, wenn man an den erwähnten Rosen oder Lilien
riecht, gelb färbt; auf der Hand zerrieben zeigt er sich fein
und mehlig und unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint er
in Gestalt zahlloser, wie gedrechselter Kügelchen, die beim
Austrocknen aus ihren häutigen Behältern ansgestreut worden
sind: ihre Gestalt ist bei den verschiedenen Pflanzen verschie-
den und ihre Oberfläche ist bei einigen wie mit Stacheln be-
setzt und rauh.
Wenn die Staubbeutel in Gemeinschaft mit den Petalen
auftreten, so stehen sie in deren Mitte, aber in beiden Arten
von Blüthen umgeben sie den Griffel oder Anhang des Samen-
behälters. Bald nämlich entspringen sie von dem vorderen
Theil des Petalnms, bald aus der gemeinsamen Basis der
Petalen und des Griftels und daher stehen sie immer in einem
Ostwald's Klassiker. 105 . 2
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4
R. J. Camerarius.
bestimmten Vcrhältniss zu den Fetalen. So ist die Zahl der
Staubgefässe oft gleich der Zahl der Fetalen oder der Lappen
oder Spitzen bei Blüthen mit verwachsener Blumenkrone, die
Tulpe z. B. hat 6 Fetalen und Staubgefässe, der
griechische Baldrian [Polemonium eoerukum] und die gelbe
Lysimachia [Lysitnachia vulyaris] deren je 5.”) Der Stech-
apfel [Z)ai«ra] hat 6 Zipfel an der Blumenkrone und eben-
soviele Staubgefässe, die Glockenblume [Campanula], der Nacht-
schatten [Solanum], der Boretsch [Borrago] hat 5 Zipfel und
ebensoviel Staubgefässe, die Färberröthe [Rubia tinctorum] 4
u. s. w. Oft aber ist die Zahl ungleich und theils die der
Staubgefässe geringer; so bei der Schwertlilie [Ii~is] 9 Blumen-
blätter' 3) und 3 Staubgefässe, beim Schwertel [Gladioliis]
(» Blumenblätter und 3 Staubgefässe, beim Epheu-Ehrenpreis
[Veronica hcderifolia] 4 Zipfel und 2 Staubgefässe, theils ist
sie grosser: so haben die Kreuzblüthler [Oruciferae] mit 4 Fe-
talen G Staubgefässe, die SchmetterlingsblUthler [Papilionaceae]
mit 4 Fetalen 8,'^) viele mit fünfblättriger Krone 10. Wegen
der Menge ihrer Staubgefässe heissen die Blüthen der Rose
Rosa], Malve [Malva], des Mohns [Papaver] und Hahuenfusses
[Ranutieuhts] bei Rajus staubgefässreiche Blüthen [flores stamk
nosi] Da sich aber die Staubgefässe auch nach dem Griffel
richten, so sind ihre Staubfäden manchmal ungleich, z. B.
ragen bei den Kreuzblüthlern 4 längere Staubgefässe hervor
und sind 2 kürzere darunter verborgen, um den Griflel gut
zu decken; bei der Lichtnelke [Lychnis] finden wir ebenso 5
längere und gleichviel kürzere. Und zwar sind sie schon in
der Knospe des Baumes und in der Zwiebel unter der Erde
sichtbarlich vorhanden, wenn man genau zusieht, und so sind
bei vielen Blüthen, so lange diese noch geschlossen sind,
Staubgefässe und Griffel gewissermaassen miteinander verklebt,
trennen sich aber bei der Anschwellung der Knospe und
treten bei ihrer Entfaltung deutlich hervor. Wenn aber dann
zugleich der Samen oder die Fruchtanlage mit erscheint, der
die Blüthe aufgewaehsen ist oder um die sie eine Hülle
bildet, sei es, dass ein Griflel vorhanden ist, der zu den
Fruchtfächern innerhalb des Fericarps oder Fruchtgehäuses
führt, wie bei den Nelken [Caryophyllus], sei es, dass der
Griflel selbst unten zu dem Fruchtknoten anschwillt, wie bei
der Tulpe — immer ist doch der Griflel oder sind die Griflel
(je nach der Verschiedenheit der FHanze) in der Nähe der
Staubbeutel oder sogar zwischen ihuen, so dass jener an der
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
5
Spitze, wo er gewöhnlich gespalten ist, bald in 2, bald in 3
oder 4 Aeste, ganz und gar wie die innere Seite der Fetalen
mit dem reichlichen Pollen der Staubbeutel gleich anfangs und
am meisten bestäubt werden muss. So lass uns die Blüthen
des Boretsch [Borrago] betrachten, hei denen, wie Rajus sagt*®),
die Köpfchen der Staubgefässe [AntherenJ auf den Stielehen ge-
rade aufsitxend so an den Seiten verbunden sind, dass sie eine
Art Bohre darsteUen, in der der Gi'iffel so eingeschlossen vit,
dass er nur mit dem obersten Theilc herausragt. Ebenso findet
sich bei der Malve [Jlfa/m] in der Mitte ein röhrenförmiges
Gebilde, das, wie Malpighi*’) angiebt, urie ein Stengel die
Blätter, die zahlreichen Stiele der Staubgefässe aussjn'ossen lässt,
in seiner inneren Höhlung aber den Griffel birgt, dessen Fäden
hervorragen. Hierher gehört ferner die in der Blüthe der vir-
ginischen Malve von P. Hermann *®) beschriebene Säule, die
verzweigt und mit zahllosen violetten Antheren geschmückt ist,
ferner der Stempel, der in der Blüthe der indischen Malve
hervorragt und eine zierliche Rispe von zahlreichen rothen
kleinen Staubbeuteln bildet u. s. w. nach den Worten meines
verehrten Lehrers.
Auf diese gleichzeitige Entfaltung der Fetalen und Staub-
beutel folgt nach kurzer Zeit in ähnlicher Weise das Absterben,
und dann schwillt der untere, bleibende Theil des Pistills an,
der obere trichterförmige aber verwelkt, wie es den Botanikern
bekannt ist. Von dieser Beobachtung ausgehend habe ich
eine grössere Schmetterlingsblüthe, bevor sie geöffnet war und
ihre richtige Grösse und Farbe erlangt hatte, zur Prüfung vor-
genommen, um die Anlage der Hülse, die nach dem Verblühen
anzuschwellen pflegt, in ihrem damaligen Zustande, nach Ent-
fernung der Fetalen und Staubgefässe zu untersuchen. Dabei
konnte man deutlich an der zarten jungen Hülse, wenn man
sie gegen das Licht hielt, oder noch besser unter dem Mikro-
skop, kleine gi'üne Bläschen durch die Haut hindurchschimmern
sehen, schon in einer Reihe an der Mittelrippe angeordnet,
und aus der einige Tage fortgesetzten Beobachtung an meh-
reren Blüthen ging deutlich hervor, dass diese Bläschen nichts
anderes sind, als die äussere Hülle oder Schale des zukünf-
tigen Samens. Denn als die ihres Pollens schon entleerten
Fächer der Staubbeutel sammt den Fetalen abgefallen waren
und die Hülse sich vergrössert hatte, begann in der Höhlung
der Bläschen mitten in einer klaren Flüssigkeit ein grüner
Punkt oder ein kleines frei schwimmendes Kügelchen, das
2 *
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6
R. J. Camerarius.
vorher nicht zu sehen gewesen war, sichtbar zu werden.
Anfangs konnte ich an demselben keine Organisation oder
Ditferenzimng bemerken, aber beim weiteren Wachsthum unter-
schied ich 2 Blättchen und bemerkte eine allmähliche Al)-
nahme der Flüssigkeit nnd endlich erkannte ich deutlich ein
vollständiges Keimpflänzchen mit Keimblättern, Knospe und
Würzelchen, das die Höhlung der Schale ausfüllte. Diese
Entwickelung, wie mehreres andere, was hierher gehört, hat
Malpighi^®) in seinen Abbildungen elegant dargestellt: aus
deren Betrachtung und ihrer Vergleichung mit der Pflanze
in der Natur (denn so etwas kann mau nur so beschreiben
und abbilden, wenn man es selbst mit Augen gesehen hat)
wird sich deutlich die hieraus zu folgernde Ansicht ergeben,
an welche er selbst freilich nicht gedacht hatte. So finden
sich also nicht nur bei Kräuteni sondern auch bei Bäumen
die Anlagen der Früchte iu den Blüthen und gleichzeitig mit
ihnen, nnd folglich wären zu ihrer Zeit regelmässig soviel
Früchte zu erhoflen, als vorher Blüthen dagewesen waren,
wenn sie nicht durch verschiedene ungünstige Umstände oft
vor der Reife abfielen oder abgerissen würden. Mit Recht
heisst daher bei Scamgkr'^®) die Blüthe der Anfang der
Frucht, ebenso sagt Vikgig so schön in den Georgicis flV,
142], wo er den Fleiss des corycischen Greises^*) aus dem
Grunde lobt, dass ihn keine Blüthe des Frühlings um die
Frucht im Herbste betrogen hätte: der Ba um schmücke sich
schon bei der Blüthe mit Aepfeln:
»Und was an Menge des Obstes den fnichtbaren Baum
in der Blüthe
Kleidete, soviel eben belastet ihn reifes im Herbste.«
Bei einigen Pflanzen ohne Petalen entstehen die Samen
oder Früchte an einer anderen Stelle als die Blüthen, und die
Staubbeutel sind soweit von den GriflTeln getrennt, dass hier
die Staubbeutel ein eigenes Organ bilden, das aber ohne nach-
folgende Frucht verblüht, während dort, in einiger Entfernung,
ohne vorausgehende Blüthe, das Pistill und die Anlagen der
Samen entstehen. So hat die Natur bei einigen Kräutern Blüthe
und Frucht von einander getrennt, z. B. beim Welschkom [Zea],
beim Thränengras [Cbyx Lacripnä], 1)eim Wunderbaum [l{icmus\
bei der Tournosolpflanze [Clirozopliora tinctoria], bei der Am-
brosie [Ambrosia maritima], bei der Klette [Xanthium]^'-).
Bei jenem Getreide [Zea] ist der hervoiTagende Busch oder
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
7
die Rispe an der Spitze des Halmes zn bekannt, als dass ich
es genauer zu beschreiben brauchte, auch weiss man, dass,
nachdem dieselbe ohne Samenansatz schon verblüht und zum
'Pheil verdorrt ist, sich weiter unten an den Knoten und Ge-
lenken jene dicken, cylindrischen Kolben ausbil^en, die mit
ihren Körneni von einer Anzahl Blätter umgeben , aus jedem
Korn einen langen Faden heraushängen lassen, so dass diese
sich wie ein Schweif ausbreiten und den Blttthenstaub auf-
nehraen. Ebenso verhält es sich beim Ricinus, bei dem sich
die Staubbeutel aus kugeligen Knospen entwickeln, die drei-
knöpfigen Samen [Früchte] aber am Ende der Rispe mit ihren
drei rothen Federchen [Narben] entstehen. Mag man nun
auch diese Federchen als Blume bezeichnen und mag die Be-
schaflfenheit der Staubbeutel hei dieser Art etwas anders, be-
sonders ihre Menge grösser sein, so geht doch aus der Aehn-
lichkeit der Kapseln und des in ihnen enthaltenen Staubes
[mit Antheren und Pollen], aus dessen bei mikroskopischer
Betrachtung sichtbarer Kugelgestalt deutlich hervor, dass sie
die wahren Blüthen sind und jene anderen gewöhnlich als
Blüthen bezeichneten Organe nur die Griflfel der Früchte dar-
stellen. Die anderen Pflanzen, die nicht einheimisch sind und
nicht in den Gärten gezogen werden, habe ich noch nicht der
Untersuchung unterwerfen können.
Bei gewissen Bäumen, z. B. der Fichte [Picm], Tanne
A/>?e,5], unserer 'VValdkiefer [Pm«« .nlrestn.i\, der Haselnuss
[Corylus], der Walnuss [Jt(ylans], der Eiche [Querma\ der
Erle [A/«?w] spricht sich nicht weniger deutlich eine Be-
ziehung zwischen den Staubbeutelblüthen und den Pistillen
aus. So sagt Plixius in seiner Historia naturalis I. IH. c. 25:
t Nicht alle Bäume blühen^ einige trauern und nehmen nicht
Theil an den Freuden des Jcdires. Denn weder die Steineiche
[Querens Ilcx\, noch die Fichte [P/cml oder iJirchc [Larix\ oder
Kiefer [P'n;<.9] erfreuen sich einer Blilthe, sie feiern nicht die
jährlich iviedcrkehrenden Oeburtsfeste der Früchte mit Blutnen-
schmuck.<^ Ganz gewiss meint er die Petalen, die bei anderen
Pflanzen in verschiedenen Farben wetteifernd prangen. Nach
den bisher angeführten Gründen sind aber die jenen Bäumen
eigenthümlichen Zäpfchen [Juli], die Joachim Camerarius in
seinem Hortus’'^^) bei der Walnuss [Juglans regia] auch als
Kätzchen [cfl<;<?)<s] bezeichnet, Bock-^) als »lange Zapflfen,
der Nuss Getreid<, und die ans sehr vielen Staubbeuteln oder
wirklichen Staubgefässen zusammengesetzt sind, die wahren
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8
R. J. Camerarius.
Blttthen und dürfen keineswegs mit den fertilen Kätzchen ge-
wisser Weiden [ÄdZir] verwechselt werden, die nach Ra.h'8
aus zahlreichen Samenhehältern bestehen, noch mit den Zapfen
oder den Anlagen der Nüsse oder Eicheln: davon wird man
sich bei der Beobachtung der Bäume selbst leicht überzeugen,
da man sie auf demselben Banm getrennt sehen kann. Des-
wegen müssen auch jene rotheu Fädchen, die im ersten Früh-
ling aus den Knospen der Hasel [Corijlus^ hervortreten, und
ebenso die von Jiingius^®) so genannten rothen Blütheu der
Eiche [ÖMercHs], die er sehr passend mit den Federchen beim
Ricinus vergleicht, und alle ähnlichen röhrenförmigen Gebilde
bei den übrigen, da sie den Fruchtanlagen aufsitzen, als Griffel
oder Griflelanhänge, die zum Samen gehören, betrachtet werden.
Unterdessen blühen die Staubbeutel oder stäubenden Kätzchen,
von jenen nicht nur deutlich verschieden, sondern aueh an
anderen Zweigen sitzend, und verschwinden, ohne dass an ihre
Stelle eine Frucht tritt, jedoch bestreuen sie vorher mit ihrem
Staube, wenn sie vom Winde geschüttelt werden, die hie und
da an demselben Baume befindlichen Fruchtanlageu , soweit
diese in ihrem Bereiche stehen, ln dieser ganzen Ptlanzen-
klasse also bildet sich der Blüthonstaub in solcher Menge, dass
der Senior der Botaniker, Moritz IIoff.mann, im Katalog des .
Altdorfer Gartens-') die Vermuthung ausspricht, es bestehe
der Schwefelregen aus dem Staub der Kätzchen der Tanne
[Atnes], Das ähnliche Schwefelmehl von der Hasel wird zum
medieinischen Gebrauche gesammelt und als ein ausgezeich-
netes Mittel gegen Epilepsie empfohlen, wie mau ersehen kann
aus Eph. Germ. N. C. D. 3. A. 1. O. 121.'^^) Ebenso sollen
die Kätzchen der Nüsse ein specifisches Mittel gegen Hysterie
sein, wie nicht nur Matthiolus angiebt, sondern es auch der
Botaniker von Montpellier, Magxoi,, aus zahlreichen Versuchen
für erwiesen hält.-^) Schon Thkoi’Huastus hat den Unter-
schied zwischen den Kätzchen und Früchten genau angegeben,
er führt an das Kätzchen [iV;j/Aoj'] der Nuss [Ju(jlans\ , was
die Uebersetzer mit Zottel [villits] wiedergegeben haben, das
Moos {(iQvov) der Eiche [Quercus^, das Zäpfchen {y.lrxaQov)
der Fichte [Ficea] und das gewissen anderen Pflanzen eigen-
thümliche ährenförmige Gebilde, rh -/M^.ovfievt^g /.u'/(JUog
[ajmntum]. Das »Moos« [vo ^ud>ÖEg oder ßgviöÖEg), das
Träubchen der Hasel, ein besonders grosses wurmförmiges
Gebilde (mit diesen Zäpfchen der Hasel hat man auch den
spanischen Pfeiler verglichen), was Kätzchen genannt wird, ist
lieber das Geschlecht der Pflanzen.
9
nach seiner Beschreibung zusammengesetzt aus zahllosen
Schüppchen, die wie die Schuppen des Pinienzapfens ange-
ordnet sind, und springt, nachdem es im Winter gewachsen
ist, im Frühling auf, zur selbigen Zeit werden jene Schüpp-
chen gelb und fallen ab; ausserdem müsste man, wie er sagt,
mitersuchen, ob die Linde [Tilia] und noch andere Bäume
ähnliche Gebilde besitzen, ob sie kätzchontragend sind [caehryo-
phorof]. An diesem Gegenstände konnte Salmasius seine
Kritik üben. Er bestreitet, dass das Kätzchen eine Blüthe
sei und ebenso das »aromatische Moos« , das die Alten zu
Salben verwendet haben; er behauptet also, die moosartigen
Kätzchen der Bäume seien weder eine Blüthe, noch etwas
dieser Analoges: sie würden richtiger Vorläufer der Blüthe
[jrQouvO'rjUEis) als Blüthen (avO^yoeig oder ItrS-r]) genannt.
Als Grund dafür führt er an, dass diese Organe, die Plixius
unnütze, er selbst überflüssige [fatmis] Blüthen nennt, nicht au
der Stelle gebildet werden , wo die Früchte zu entstehen
pflegen. Als das aromatische Moos, das ßQvov der Griechen,
das Moos [;>/mcos] der Eiche, das von Puxit’s zu den aro-
matischen, für Salben gebrauchten Stollen gerechnet und auch
von lliEROXT.’MUs unter den Wohlgerüchen erwähnt wird,
nimmt er, da es weder das gewöhnliche Moos der Bäume,
noch ein Kätzchen sein soll, eine andere Moosart an, die mau
au einigen Bäumen wie ein Tuch oder eine Binde hängen
findet, besonders aus dem Grunde, weil Dioscorides und
Galexus das aromatische Moos von der Ceder [Gerfr».s] em-
pfehlen; »Die Ceder aber, sagt er, bildet keine solche Moos-
blüthe, v?ie die Pappel [Popidus] odei- Fichte.* Endlich behauptet
er, es werde den Salben nicht des Geruches wegen, sondern
seiner styptischen Wirkung wegen zugesetzt, *an sich bilde es
weder eine Salbe noch ein Rüuchcrungsmittel , wenn man es
cnich den letzteren zusetxe.*
Aber übergehen wir, was zunächst in Betracht kommt, die
Unbestimmtheit des Wortes Bryon, worunter er sowohl ein
Moos als auch ein Kätzchen versteht, übergehen wir auch
den von ihm angeführten Grund, der im Folgenden hinlänglich
widerlegt wird, so wollen wir doch eine andere Stelle seiner
Schrift anführen, die als Entgegnung auf die früheren dienen
kann; »A/.« 3Ioos oder Kätxchcn bexeichnet man nicht jede
Blüthe, sondci'n nur eine dichte oder gedrängte oder wie ein
Haarxopf geflochtene. Theophrastus spricht sich in dieser
Hinsicht nicht bestimmt aus, sondern erwähnt nur die
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10
R. J. Camerarins.
verschiedenen Ansichten, dass nämlich nach der einen jene
Bäume Blüthen hätten, nach der anderen die Kätzchen den
sich nicht entwickelnden Feigen analog seien. Darauf jedoch,
sowie an einer anderen Stelle über die Theile der Pflanzen,
rechnet er das Moos ebenso wie die Blüthe zu den einjährigen
Theilen und sagt, dass sie zur Fruchtbildung in Beziehung
stehen; was sich jedenfalls auf das an den Bäumen wachsende
Moos nicht beziehen kann. Darüber, dass die schöne gelbe
Blüthe der Tanne [Abies], die er zweimal citirt, überhaupt nur
das ansehnliehe Kätzchen sein kann, vergleiche man Hist. Plant,
lib. I. c. 1 u. 3, ebenda c. *21 u. lib. UI. c. 0. — Hinsichtlich
des anderen Punktes, was nämlich das aromatische Moos der
Alten gewesen sei, macht er sich ziemlich wenig Sorge, der
einzige von ihm angeführte Grund scheint mir wenig stichhaltig:
Wenn die Ceder, wie ich nach Plixius citire, in zwei Arten
nuftritt 2 ind (wie ich es alsbald für den Wachholder bestätigen
werde) die, welche blüht, keine Früchte trägt, die Fnicht tra-
gende aber nicht blüht, dann sind hier jedenfalls die Blüthen
dasselbe wie die moosartigen Gebilde [ßgvcjdi] des Theo-
PHRASTUs]. Ein Beweis dafür, wie er ihn bringen möchte,
würde auch die Bezeichnung Moos für den Hopfenzapfen sein.
Schliesslich was hindert uns an der Annahme, dass der Zusatz
zu den Salben die Kätzchen gewesen sind? Von der Pappel
wenigstens nimmt man die Augen oder Knospen, doch waren
die Trauben vorgeschrieben oder die ährenförmige Blüthe [flos
■/.axQV(iidi]g]. Bei dieser Ueberlegung fällt mir noch etwas
Anderes ein: wie bisher den Bäumen, so kann man auch ge-
wissen Moosarten ein Kätzchen zuschreiben: das keulenförmige
Kätzchen, von dem ein auf der Erde kriechendes Moos seinen
Kamen hat, verdient diesen Namen in der That'*'^), denn es
strotzt von einem ganz ähnlichen, entzündlichen und so reich-
lichen Mehl, dass es zur Erzeugung von Feuerwerk dient,
ebenso pflegt man es zur Räucherung mit einem harzigen
Pulver zu vermischen: auch erinnere ich mich, dass es die
Grundlage für das sogenannte cyprische Pulver 3») gewesen sei,
während andere das gewöhnliche pulverisirte Baummoos zn
diesem Zweck benutzen. — Doch wenden wir uns zu etwas
xVuderem. Die Bienen sollen an dm Kätzchen hinaufkletternd
Wachs mit der Spitze der vorderen Fasse sammeln (nach
Aristoteles Hist. Animal, lib. 0, cap. 40), sie sollen das
Wachs bereiten, wenn die Bäume blühen [ocav ^ a»'^/));
und darauf bezieht sich auch der Ausdruck »Blumentragen«
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
11
{icrd-otf'OQEn'], als eines der Geschäfte, die ihnen zngeschrieben
werden.*^) Ebenso giebt Puxius (lib. 11, cap. 8 und 10) an,
dass die Bienen das Wachs aus den BUithen bereiten, dass sie
die BUithen mit ihren Füssen Zusammentragen, sammeln. Das
bezieht sich freilich nicht auf die Blumenblätter, wie auch der
Commentator Caesar bemerkt: »nicht die Blüthen, somlern
den Schleim von den Blüthen* ; unter den Kätzchen
will er nämlich nicht die Blüthen, sondern irgend welche
Sprosse verstanden wissen. (An einer anderen Stelle freilich,
im Commentar zu Theophbastus de Causis Plantarum lib. 2,
cap. 15, erkennt er das Bryum als Vertreter der Blüthe an;
wahrscheinlich will er seine frühere Meinung einmal durch
eine andere ersetzen. Heutzutage kennt man die Substanz
des Wachses besser und lässt sie herrühren von den schon
erwähnten Körnchen aus den Staubbeuteln der Blüthen, welche
die Bienen mit ihren Füssen ergreifen und mit sich führen
und nach deren Verschiedenheit sich auch die Farbe des aus
verschiedenen Pflanzen gesammelten Wachses richtet: dies wird
dadurch bestätigt, dass man unter dem Mikroskop in dem
Wachs noch die Körnchen der Blüthen oder Staubgefässe, von
denen sie genommen sind, erkennen kann; nach Act. Anglic.
Giornale de Lett. a Parm. A. SO, n. 7.^*) Der bekannte Autor
der Georgien curiosa giebt an, schon Colerus habe gemeint^’),
dass das Wachs wirklich aus den Kätzchen bereitet werde,
>aus den Palmen« [Palmkätzchen] »oder Zäpfiflein« der Haseln
^Corglus . Raju.s aber sagt: »nichtig ist twi Grevv beobachtet
norden, dass diese Kügelchen oder samenförmigen Körparhen,
die in den Fäeha'n der Staubbeutel eingeschlossen sind, die
Substanz bilden, die die Bienen sammeln und an ihren Beinen
tragen, was man bei uns das Brod der Bienen nennt. Das
Wwhs nämlich tragen die Bienen im Munde, den Honig im
Magen nach Hause. < Das sind nun wohl so die Beobachtungen
der Bienenzüchter. Ich will aber nun endlich mit dieser Ab-
schweifung zu Ende kommen; w'ährend Salmasius das »amen,
amentnm« als »apimentum« erklärt und es von dem alten Worte
apo (apio), was »ich knüpfe, binde« bedeutet, ableitet, findet
sieh eine andere Erklärung dieses Kaniens in der Dendrologia
Aldrovandina des Oviuius Montaei!ANus^*>) ; dort aber sagt
er; »Etwas nutdoses, gerade so wie die Wa.sserreiser an den
Bäumen, sind jene tauben Blüthenbildungen, die amentn [Kütx-
ehen\ genannt werden, gleichsam vom Kinn [a meyitd] herab-
hängende wollige Bärte, deren zu ra.sch vergänglichen Haaren
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12
R. J. CamerariuB.
andere dauerhaftere folgen. Von dieser Wolle \lanugo'\ der
Bäume, die, als dem Erstlingsbart beim Jilaischen ähnlich, mit
passenderem Namen, julus [die ersten Haare am Bart eines
jungen Mannes'l genannt wird, nenmn die Meisten die KätxcJien
auch julus oder Julius. * Aber es verlohnt nicht der Mühe sich
hiermit länger aufzuhalten, mögen sie heissen woher und wie
sie wollen, wenn ihnen nur keine falsche Bedeutung zuge-
schrieben wird: weder unnütze Haare, noch Anfänge der
Zapfen sind diese Zäpfchen der Bäume [nec nueum rudimenta
sunt haec arborum nucamenta]. Nur das will ich noch hinzu-
fügen: neulich hat man auch gewisse Gallen an den Kätzchen
der Eichen bei Schloss Asperg in meiner Heimath gefunden
und allgemein für Trauben angesehen und sogar in den Zei-
tungen ist von ihnen die Rede gewesen; ich habe deswegen
gewünscht, dass die physisch-botanische Erläuterung davon
diesem Brief beigefügt werde, wie ich ja auch die Rede über
jenes Thema bei der Promotion der Candidaten dem Ver-
ständniss meiner Zuhörer angepasst hal)e; übrigens hat Chah-
KASius^®), wie ich höre, aber noch nicht selbst gesehen habe,
ähnliche Gebilde beschrieben.*)
Es giebt einige andere Kräuter aus der Klasse der blnmen-
blattlosen, bei denen eine neue Beziehung der Blüthe znm
Samen auftritt. Beim Bingelkraut [Mereurialis] nämlich, beim
Hanf [Cannabis] , Spinat [Spinaeia] und Hopfen [Hmnulus]
pflegen die einen Stöcke Blüthen, die anderen Samen zu
tragen; das heisst, wenn man von derselben Pflanze die ge-
hörig reifen und keimfähigen Samen in denselben Boden
bringt, sieht man zweierlei Pflanzen ans ihnen hervorgehen,
die im allgemeinen ähnlich sind und von allen auch gleich
genannt werden, bis sie sich zur Fortpflanzung rüsten und
mau sodann bemerkt, dass die einen nur Blüthen, d. h. die
Staubbeutel der Staubgefässe tragen und gänzlich ohne Frucht
und Samen bleiben, jene aber Früchte tragen, dafür aber der
Blumenblätter und Staubbeutel durchaus entbehren. Dies ist
meinem seligen Grossvater so wunderbar und merkwürdig er-
schienen, dass er es in der !). Centurie seiner Sylloge Memo-
rabilinm aufgenommen hat.^*] Die Vorboten der Samen in
der fertilen oder fruchttragenden Pflanze sind die Grifl’el oder
die krausen Federchen, die der Frnchtanlage aufsitzen, wie
*) Diese Erläuterung ist nicht beigefügt, da sie dem Gegen-
stand, von dem wir sprechen, zu fern liegt. (Anm. des Gmelik.)
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
13
ich in den vorhergehenden Paragraphen bemerkt habe. Die
BKlthen aber pflegen Aestchen zu sein, die mit Staubbeuteln
beladen sind, die Behälter und Bewahrer des Pollens, von
vielfacher Gestalt. Die runden Kapseln des Bingelkrautes
vergleicht Jungius mit den Blüthen der Kaper [Capparis\ die
wir essen, nur dass diese grösser sind; auch bemerkt er
richtig, dass die blüthentragenden und samentrageuden Pflan-
zen sich der Art nach nicht unterscheiden, schreibt aber der
verschiedenen Behandlung der Pflanzen einen zu grossen Ein-
fluss zu, indem er sagt^'^): >Wmn man dem Hanf die Zweige
schiessen lässt, trügt er Samen, wenn man ihn aber so zieht,
dass er ohne Zweige schlank emporwächst, trägt er Blüthen
ohne Früchte und dieser ist zur Fasergewinnung geeignet.*
Der fleissige Bock*^) aber sagt; »Diese beede wachsen von
einerley Saamen, wie es aber in der Erde Zugang, dass einer
fruchtbar, der andere unfruchtbar bleibet, ist ein Geheimniss der
Natur.* Im Allgemeinen und üebrigen nimmt man zwar an,
dass die sterilen blüthentragenden Pflanzen aus mangelhaften
Samen hervorgehen oder durch Nachlässigkeit in der Cultur
entartet sind, aber es zeigt sich hierin eine solche Beständig-
keit und die einzelnen derartigen Stöcke verhalten sich so
gleichartig beim Blühen, dass hier noch etwas ganz anderes
zu Grunde liegen muss; denn man kann die unbebauten Plätze
auf dem Felde und die Beete in den Gärten, die mit beiderlei
Pflanzen besetzt sind, prüfen und dort allgemein bemerken,
dass nebeneinander und durcheinander die durch Blüthe und
Frucht derartig unterschiedenen Pflanzen wachsen; während
die fertile die Früchte erzeugt oder die ersten Anlagen der
Samen hervorbringt, belädt sich die sterile mit den Staub-
beuteln der Blüthen und streut eine Masse Blüthenstaub aus,
wenn sie erschüttert wird.
Derselben Erscheinung begegnet man bei gewissen Bäumen.
Wenn man sich auch mit geringerer Sicherheit auf ausländische
Beispiele stützen kann, in so fern sie nicht aus eigener An-
schauung bekannt sind, so bezeugt es doch Tiieophkastus
von der Palme und hierin stimmen ihm viele Schriftsteller,
sowohl ältere als auch neuere bei; »die eine blühe, die andere
bringe später die Früchte- und bei dieser können die Früchte
niemals zur Beife kommen, wenn man nicht die Blüthe der
erstcren mit ihrem Staube über sie ausgeschüttelt habe.**^) Was
er über die analoge Erscheinung der Caprification ausführlich
angiebt, sei denen empfohlen, die so etwas in ihrer Heimath
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R. J. Cameraxins.
beobachten können. Ich kann mich aber auf eigene Erfah-
rungen stützen, wenn ich ihm darin getrost znstimme, was er
über den gemeinen Wachhol derstrauch schreibt i^Hist. lib. 3,
cap. (I); ^Einige sagen, dass es zweierlei Wachholdcr gebe wid
zwar einen, der blühe, aber keine Frucht bringe, einen anderen,
der nicht blühe, aber alsbald die Frucht zeige.* Dies bestätigt
nämlich die Erfahrung leicht und sie zeigt, dass Puxius dies
leider unrichtig angieht (lib. 16, cap. 25). ■*^) Wenigstens er-
hebt sich, wenn wir im Frühling durch einen Bestand von
Wachholdern wandeln, jener allerfeinste gelbe Staub wie ein
Rauch in grosser Menge, wie es schon einst H. Bock bemerkt
hat [*im Mayen sichet mein ein gälen Staub von diesen Bäumen
fahren, das muss die Blüt seyn.* So heisst es wenigstens
in meiner deutschen Ausgabe von Sebizius; Ra.tus aber be-
hauptet, dass dieser Staub von Bock Samen genannt worden
sei, indem er den Jon. Bauhin tadelt, dass er statt Samen
Blüthe geschrieben habe).^“) Durch diesen Staub wird man
beim Durchschreiten zu einer Betrachtung der oflenbaren Ver-
schiedenheit des Wachholders förmlich eingeladen: nämlich
nicht alle Sträncher entsenden den Staub, wenn man mit dem
Fuss au sie stösst, obgleich sie sich vollkommen ähnlich sind,
sondern nur jene, deren Zweige mit den zahlreichen aber
kleinen aufrechten Zäpfchen besetzt sind, nicht aber die,
welche Beeren tragen, und unter einer grossen Zahl derartiger
Sträucher habe ich bisher auch nicht einen einzigen finden
können, wo auf demselben Individuum beides zugleich ge-
wesen wäre, Blüthe und Beere. Während also dieser Wach-
holder die Anlagen der Beeren treibt, bestäubt jener, der mit
ersterem denselben Standort theilt, sich und seine ganze Nach-
barschaft mit seinem Pollen, der vom Wind auseinander ge-
blasen wird. So giebt es auch zweierlei Maulbeerbäume
[Morus\ einen mit Beeren und ihren Federchen oder Griffeln,
den anderen mit Blüthen, beziehungsweise Staubbeuteln; daher
heisst es in der Flora Altorfensis^'): Der Maulbeerbaum hat ver-
schiedene Blätter, eine moosartige oder kätzchen förmige taube
Blüthe, er bringt im Anfang des Frühlings ein sehr langes
Zäpfchen herior. Ebenso ist es beim Lorbeer, von dem Theo-
I’HIIASTUS sagt, dass er keine Frucht, aber Moos trage,
ßQvöepogov [moostragend] nennt er ihn und an einer anderen
Stelle ßoTQVÖiov [traubentragend], er schreibt ihm also eine
Traube zu, die auch der fruchtbringende Lorbeer tragen soll,
wenn auch nicht jeder, so doch eine gewisse Art von ihm.
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
15
Läufiger aber der sterile. Hierin irrt er vielleicht und richtiger
sagt Magxoi. *In dm Gärten bemerkt tnan bcjionders xwei
tinterschiedliche Sorten, eine nämlieh die Beeren trägt und ge-
ivöhnJich Baguicr genannt tvird, ii^’einc andere, die nur
Blütiicn bringt und einfach Laurier genannt u ird < ; unser
blühender Lorbeer im Garten ist bisher nämlich immer steril
gewesen. Zu untersuchen ist, ob der Sevenbaum [Juniperus
Sabina], die Eibe [Tkrw.s] und andere hierhergehören; ebenso
die Esche [FraxtHMs], von der nach Hüfmann im Garten
zwei Arten gezogen werden, deren eine steril ist und ihre
Hlilthen vor dem Erscheinen der Blätter, gleich wie Kätzchen,
abwirft, deren andere fruchtbar ist und ihre Blflthen zur so-
genannten Vogelzunge der Apotheken werden lässt; RA.n s
freilich scheint das Gegentheil davon beobachtet zu haben. ä")
Inzwischen bin ich noch nicht im Stande gewesen die Ver-
niuthung des .luxoirs mit den Erscheinungen in Einklang zu
bringen: nach ihm nämlich sollen jene Bäume, erst wenn sie
älter sind, zu blühen anfangen und entweder in dem einen
.Jahre blühen, in dem anderen fruchten, oder wenn sie einige
.Jahre geblüht hal)en ohne Fruchte anzusetzen, darauf Früchte
ohne vorangehende Blüthen bringen.^*)
Bisher habe ich nur aufgezählt, wie in den verschiedenen
Geschlechtern der Pflanzen die Staubbeutel der Blütheu und
die Griffel der Früchte bald vereinigt, bald nach Zweigen ge-
trennt, ja sogar auf verschiedene Individuen der Pflanzen ver-
theilt sind, jetzt kann ich aus dem Fehlen der ersteren ihre
Nothwendigkeit schliessen, dass nämlich ohne dieselben kein
Samen gebildet wird und die Pflanzen, wenn sie der Staub-
beutel entbehren, auch der Früchte entbehren müssen. Von
der ersten Klasse dieser Pflanzen, die ausser Staubbeuteln
auch Blumenblätter besitzen, will ich nur zwei Beispiele aus-
wählen. Das erste, das ich neulich im letzten Bande der
deutschen Ephemeriden besprochen habe^"'^), besteht in gewissen
zusammengesetzten strahligen und scheibenförmigen Blüthen
(zu den a. a. O. citirten Blüthen, die man vergleichen wolle,
kommt nach neuerer Beobaclitung das Kuhrkraut [Gnaplialium]
und die Eberwurz [Carlina] hinzu), bei denen der Pollen der
Staubbeutel in jener Scheide entsteht, die den mittleren Theil
des dem Samenbehälter aufsitzenden Griffels nmgiebt und liin-
durchgehen lässt; hier entbehren tiotzdem nicht selten gewisse
äussere Strahlbltithen zum Theil sowohl der Staubbeutel als
auch jedes Anzeichens eines Samens, zum Theil haben sie
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K. J. Camcrarins.
zwar die »Samenblilsclien und deren Umhüllung:, aber diese
sind leer und taub, ohne das gehörige Keimpflänzchen, und
dem entspricht auch ein unvollständiger, verschrumpfter und
die Stanbbentelröhre nicht gehörig durchsetzender Griffel. Das-
selbe sehen wir in der Klasse der Röhrenblnthigen an der
Kornblume [Centaurea Q/amw] ; sie trägt nämlich zweierlei
Hlüthcheii: erstens raudständige, die bei der gemeinen Korn-
blume der Felder wie Strahlen um die mittleren herumstehen, i
eine trichterförmige Gestalt besitzen mit etwas gelappter Mün-
dung, und in eine dünne lange Röhre ausgehen, in der sich
nichts derartiges wie Staubgefitsse , Staubbeutel oder Griffel
findet; auch sitzen sie auf tauben und leeren Samenbehältern.
Ausserdem aber giebt es in der Mitte kleinere fruchtbare
Rlüthen, die gleichmässig in fünf schmale längliche Zipfel ge-
spalten sind und aus denen ein deutlicher Griffel, mitten durch
die Röhre des Mantels hindurchgehend, voll Pollenstaub her-
vorragt, und unter ihm sind grössere vollkommene Samen:
beide Blüthen sind von Malimgiii abgebildet. Ein anderes
deutliches Beispiel bietet der Wasserhollunder [Viburniini
Oputus], ein beerentragender Baum mit auffallender weisser
Blütheudolde. Bei ihm giebt es auch zweierlei Blüthen; die
äusseren, die von den inneren weit verschieden sind und ein
fünftheiliges Blumenblatt aber keinen Griffel und keine Staub-
beutel besitzen, sind und bleiben steril, sie fallen ohne jemals
Samen anzusetzen ab; die Beeren nämlich entstehen nur aus
den in der Mitte der Dolde stehenden, mit den Staubbeuteln
richtig ausgestatteten Blüthen. Bock nennt diesen Hollunder
»Schwelcken« : »Die Schtveleken haben xu rings umher grosse
ireissc Violen, eine jede, mit vier Blättlcin, die segnd um die
andern kleinen iceisscn gestirnten Blmnlein (ds Hüter, oder
Wächter gesetxt, die gekrönte Blum xu beschirmen, t Mit den
ersteren IJlumenblättern allein ist der gefüllte Hollunder [Vi-
burniim Opulus var. i-osea], der in den Gärten gewöhnlich
gezogen wird, geschmückt, bekannt wegen der Aehnlichkeit mit
dem Schneeball, dem er seinen Vulgärnamen verdankt; er ist
.als gänzlich steril und der Früchte baar bekannt, wie von den
(Gärtnern und Botanikern bestätigt wird. Sonst nennt man
die blumenblattloseu Blüthen der Pflanzen unvollkommene.'”*)
Vielmehr aber müsste man, wie es scheint, unvollkommene
Blüthen die nennen, die mit schönen Blumenblättern geschmückt
sind, aber der Staubbeutel oder des Griffels entbehren, denn
diese, nicht jene fallen, ohne Samen anzusetzen, ab. Oder
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
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aber, da die Bltithe zur Frucht bestimmt ist, sollen wir vou
einer Pflanze sagen, dass sie geblüht habe, wenn sie nur
Blumenblätter trägt ?
Hier muss ich etwas genauer auf die Betrachtung der
Blüthen eingehen, die durch die Cultur zu gefüllten werden
können. Sie sind nämlich häufig in dem Sinne unvollkommen,
dass sie zwar Blumenblätter besitzen, aber selten Samen bringen.
Jetzt wünschte ich mir aber einen Lehrmeister herbei, wie ihn
Feurarius im 4. Buch, Cap. 8 seiner Flora rühmt. Vieles
würde ich dann erkundigen in Betrefif jener Kunst, was ich
so kaum hinreichend auseinandersetzen kann. Es ist ja be-
kannt, wieviel die geleistet haben, die von der Lust an den
Blumen oder am Ge^vinn verlockt, von einem günstigen Klima
und geeigneten Boden dabei unterstützt, und von unermüd-
lichem, durch die Freigebigkeit Anderer noch erhöhtem Eifer
angetrieben, seltene Schönheiten in den Blüthen glücklich er-
reicht haben. Dreierlei will ich hier besonders berücksichtigen:
Erstens ist, wie mir scheint, zu untersuchen, welche Blüthen
und auf welche Weise sie künstlich zu gefüllten werden können
und es zu werden pflegen. Auf die Methoden und Kunstgrifle
will ich nicht näher eingehen, da ich weiter nichts Vorbringen
kann, als was man auch in allen botanischen Büchern ge-
wöhnlich findet. Was also der Verschiedenheit des Klimas,
des Bodens und der Nahrung oder dem Zufall oder irgend einem
unbekannten Umstand von Kajus zugeschrieben zu werden
pflegt^®), dass nämlich aus den Samen einfacher Blüthen
unter zahlreicheren wiederum einfachen auch einige gefüllte
zu entstehen pflegen, das streben die Gärtner auch auf künst-
lichem Wege hervorzubringen: sie empfehlen dazu eine ge-
eignete Aussaat, häufiges Umsetzen, Pfropfen u. dergl. Bei-
läufig erwähne ich hier, was ich selbst hinsichtlich der
allbekannten Maassregel beobachtet habe, dass man Samen
und Zwiebeln, aus denen gefüllte Blumen entstehen sollen, zu
keiner anderen Zeit als vor dem Vollmond einpflanzen dürfe.
Als nämlich mein verehrter Vater, der sich für seine leider
wankende Gesundheit durch die Freuden der Blumenzucht zu
entschädigen gewohnt war, einige der knolligen Wurzeln des
llahnenfnsses [Banunculus «sioticHs L.] um die Zeit des Neu-
mondes, andere vor dem Vollmond in dieselbe Erde setzte und
aufzog, da war auch nicht der geringste Unterschied in der
Füllung der Blumen zu ihrer Zeit zu bemerken. Ich komme
nun zu den verschiedenen gefüllten Blüthen selbst, für die ich
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R. J. Camerarins.
folgendes Schema aufgestellt habe; die fehlenden sind danach
leicht zu ergänzen. Von Bäumen sind es:
von Kernobst: Apfel, Birne, Granate [Maiitn, Pirm, Puuica' .
von Steinobst: Pflaumen, Pfirsiche, Kirsche [Prunus, Persica,
Orasus'\.
von Beerenobst: Frucht mit vielen Kernen und vom Kelch
gekrönt: die Myrte [Jl/yr/n.'j]; Frncht, die bald Beere, bald
Apfel genannt wird: die Rose ; Frucht nicht vom
Kelch gekrönt, mit einem Kern: der Schneeball Samhuciis
ntiunticai: = Viburnum Opulus]-, mit zwei Kenien: der
Jasmin
Von Kräutern sind es:
Mit scheibenförmiger, strahligcr Blüthe: Wucherblume [Chn/-
sautlicmum] , Ringelblume [Calendula], Gänseblflmchen
[7^7/(.v], Mutterkraut [3Iatricaria], Kamille [Chamaemelwn
= Anthemis], Bertram [Ptarmica = Achillaea ptarniica],
Sammtblume Strohblume [Xeranthemum],
Mit (vielen, freien Fruchtknoten [G pmnopohfspermae], Oster-
luzey [Clcmatitis — Aristoloehia Clrmafitis], Anemone
\Ancmonc], llahnenfuss [Itanuneulus' , Feigwarzenkraut
[Cheliduniuni minus = Pnnunculus Ficaria], Leberblüm-
chen [Ilrpatim nuhilis], Erdbeere [Fraparia], Malve [J/a/ra],
Mit geliörnten Früchten [Cornieulatae]: Päonie [Paeo>iia],
Sumpfdotterblume [CaWia], Trollblume [TroUius], Akeley
[A(iuilepia'i , Rittersporn [Consolida regalis = Delphinium
ConsuUda], Schwarzkümmel (A'/^c//a].
Kreuzblüthler mit Schoten [Tetrapetalae siliquosac]: Lack
[CUeiri = Cheirantlius Cheiri], Levkoye Lcicojum =
Cliriranthiis ineanus], Kachtviole [Ilespcris ; und mit viel-
theiliger Kapselfrucht der Mohn [Paparer . Hier kann mau,
bei Vernachlässigung der Blüthenverhältnisse, anfügen den
Stechapfel Datura] mit viertheiliger Kapsel und den Ei-
bisch [Althaea = Hibisrus] mit fünftheiliger Kapsel.
Mit fünf Blumenblättern [FV«/(77W<7 /uc' : Lichtnelke [LycAnis],
Nelke Caniophi/Uus , Veilchen [T7o/<7 .
Mit fünfspaltiger Blumenkronröhre Prntaprtaloideae]'. Schlüs-
selblume Paralysis = Primula rcris], Aurikel [Auricuh
ursi = Primula Auricula]. Sinngrüu [Clematis =
minor . Oleander Xerium\ der von einigen auch zu den
Bäumen gerechnet wird.^'j
Knollen- und Zwiebelgewächse ’Bulbos'u': Lilie [Lilium],
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
19
Kaiserkrone Corona imperittUs<i- = Fritülaria imperialk],
Fritillarie [*Fr{tillaria< = Fritillaria 7ncka(jris], Tulpe ITj«-
Upa], riyacinthe [Hijacintlius], Sclmeeglöekchen \Levcojum
bulbomm = L. vcrnum], Narcisse [iVarcmits], Herbstzeit-
lose [Colchicum], Alpenveilchen [Cyclamen], Weisswurz
[Pohjgoimtum],
Iin Gegentheil werden die IllUthen nicht gefüllt bei allen
übrigen Bäumen und selbstverständlich bei denen, deren Blüthe
keine Blumenblätter hat und ein Kätzchen ist ; von den Kräu-
tern aber ebenso bei denen ohne Blumenblätter und den meisten
übrigen, die in den genannten Klassen als einfache übrig blei-
ben, besonders den milchsaftführenden Compositen [Fapposae
lactcsceniea] , deren Blüthe sonst eine von Natur gefüllte ge-
nannt wird; bei den Compositen mit Röhrenblüthen [Capitatae
seu flore fiatuloso]', bei den Corymbiferen [Corymbiferae] mit
nackter oder scheibenförmiger Blüthe ohne Strahlen; bei den
Stellaten [SicUatac] ] Doldenpflanzen [Umbelliferae]', Kauhblätt-
rigen [Asperifoliae] ; Lippenblüthleru Voiicillatae = Labiatac]',
Pflanzen mit einem nackten Samen [ Oymywmonospcmiac] ; Ver-
wachsenblüthigen [Monopctalae = Sympetalae] ; bei den Kreuz-
blüthlern mit Schötchen [Tetrapctalae = Cruciferae süiculosac^ ]
Schmetterlingsblüthlern Papüionaceac]', Beerentragenden [Bacn-
fcrae] ; Kürbisartigen [Pojyiiferae = Cucurlntaceae]A^) Diese
sind ganze Klassen, bei denen ich keine gefüllten Blüthen
bemerkt habe. In den Catalogen zwar finde ich gewisse
Blüthen citirt mit der Bezeichnung »roseus* [gefüllt], z. B.
Cichorie [Cichoremn], Winden [Convolrulus], Löwenmaul [Antir-
rhinum] u. s. w., wie es aber mit dem Gefülltsein dabei steht,
ist mir nicht ganz klar. Unter den Verwachsenblüthigen macht
der Stechapfel eine Ausnahme. Von den röhrenblüthigen Com-
positen können die Blüthen, welche zweierlei Einzelblütheii
besitzen, gefüllt werden und auch so genannt werden , wenn
nämlich die Randblüthen vermehrt werden und so ein vollerer
Kranz die Mittleren umgiebt oder auch die Randblüthen die
Mittleren ganz verdrängen ; derart giebt es aber wenige , und
ausser den Kornblumen vielleicht keine, die, wenn sie als ge-
füllt bezeichnet sind, auch wirklich als so gebaut anzunehmen
sind. Hierauf beziehen sich die Worte des Raji’s über die
Scabiose [jacea nigra pratensis = Centaurea Jacea ; Im west-
lichen Thcilc von Englaml hat man eine Varietät derselben mit
der Blüthe der Jacea major [Centaurea Scabhsa L.\ d. h. mit
einem Band oder Kranz grösserer oder längerer Einzelblüthen
Ostwald’s Klassiker. 105. 3
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R. J. Camerarius.
am Rande, nach Art der Kornblumen; und diese kommt nicht
weniger häufig, als die gewöhnliche dort vor. Von dieser Varietät
hat eine andere Varietät Tn. Wii.uski.lus beobachtet und unn
Jeennen gelehrt, deren Bliithe gefüllt ist und gändich aus solchen
Einxelblüthen besteht, wie sic dort am Ramie stehen, also läng-
lichen und ansehnlichen.^'') An die gefüllten Blütheii vei-
dienen die sogenannten prolifcrirenden angereilit zu werden,
denn auch sie stellen bald eine Art Füllung dar , wie die
doppelten und dreifachen TUüthen der Primel [Rrimula rem],
bald sind sie zugleich gefüllt und proliferirend, wie der gelbe
knollige Hahneufuss [Ranunetdus asiaticusf. ferner entstehen
bei zusammengesetzten BlUthen am Rande Sprossungen, wie bei
der Scabiose, dem Gänseblümchen, der Ringelblume [Scabiosa,
Bcllis, Calendula], oder es entstehen andere, die kleiner als die
Mutterblüthe sind, an deren Rande. Eine ganz andere Bewandt-
niss hat es mit den vielblüthigen Bilanzen, deren Blüthen nicht
in der Form, sondern nur in der Anzahl %'erändert sind und
einen ausserordentlichen Schmuck des Bltttheustengels bilden;
von dieser Art war die vielblätterigc Feuerlilie [Lilium eroceum],
welche in den Ephemeriden (dec. UI, Ann. 1. Obs. 112) ab-
gebildet ist.*>“) Es ergiebt sich also, 1) dass das Gefülltsein
nicht überall auf demselben Umstande beruht; denn die ange-
führten Blüthen werden gefüllte genannt theils wegen der Ver-
mehrung der Blumenblätter, z. B. der Hahnenfnss [Rammc^du.s
theils wegen einer Verdoppelung der Blumenkronröhre, z. B.
Datura, theils weil die Strahlenblflthchen vermehrt sind und
die Stelle der mittleren Blüthchen einnehmen, wie bei der
Ringelblume [Calenduld]', 2) dass nicht nur eine Pllanzenklasse
vor der anderen geeignet ist, gefüllte Blüthen zu besitzen,
was besonders an den Zwiebelgewächsen hervortritt, deren
schöne Blüthen giösstentheils gefüllt gezogen werden (vielleicht
weil sie besondere Lieblinge der Blumenzüchter sind?), sondern
auch, dass in derselben Klasse einige wenige, ja sogar nur
eine Art gefüllt sein kann, während die anderen ihr nahe-
stehenden und verwandten ungefüllt bleiben, 3) dass die ver-
wachscublätterigen symmetrisch gebauten Blüthen''') seltener
gefüllt werden, häufiger und leichter aber die übrigen, und
die, deren Blumenblätter getrennt sind. Tiieopiirastus sagt
(Hist, plant, lib. I, cap. 21) über die Blüthen der Bäume:
»Unter den cultivirten giebt es keinen mit xiveifarbiger oder
gefüllter Blüthe, sondern wenn ein Baum solche hat, ist es sicher
ein wildwachsender. Aber hei den einjährigen Rflanxen kommen.
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
21
grossentlieils aolche vor, sotvohl xweifarbirje als auch gefüllte.*
Die gefüllten nennt er bald rcc arO-ojöij, bald öittu&l'i, erstere
scheinen bei ihm solche Blüthen zu sein, die man jetzt zu-
sammengesetzte nennt, denn er schreibt jedem Samen seine
eigene Blüthe zu, wie bei der Distel [C'nfcMs]; die letzteren
werden mehr durch künstliche Züchtung gefüllt, indem sie nach
seiner Beschreibung in der Blüthe eine zweite in der Mitte
tragen, wie es bei den Rosen, Lilien, Veilchen [i?osa, Lilium,
Viola] ist. Was aber die beiden von ihm angeführten Ver-
schiedenheiten betrifl’t, nilmlich einjährige und wildwachsende,
so ist es nicht klar, in welchem Verhältniss dies zum Gefüllt-
sein steht. Wir haben ja bei perennirenden und einjährigen
Pflanzen gefüllte Blüthen, wofür als Beispiele die Nelken
[Caryophyllus] und der Mohn [Papaver] angeführt werden
können. Was aber unter süvcstre zu verstehen sei, ist nicht
sicher. Was bei uns sativum [cultivirt] heisst, ist bei andern
.‘iilve.'itre, ja dass alle cultivirten Pflanzen einst wilde gewesen
seien, citirt und erwägt schon Scauger als eine Ansicht des
Platon. Jetzt kommen wir zu einem anderen Punkte, von
dem aus die gefüllten Blüthen zu betrachten sind, nämlich
dass sie theils fruchtbar, theils unfruchtbar und steril sind.
Zwar kennt man reife Samen nach gefüllter Blüthe, z. B. beim
Mohn [Papaver] u. a. Erdbeeren aus solchen Blüthen habe ich
selbst gegessen (deren Samen sich ebenso wie die anderen zu
verlialten scheinen), Ka.U's'> 2) erinnert an fruchtbare Nelken
[Caryophyllus'^, Wucherblumen [Matricaria], Kamillen [Chamc-
melon = Antheniis], Hermann®'*) an seine spätblühciide, ver-
zweigte, grosse Tulpe mit gefüllter buntgelber Blüthe, auf die
iu einem wärmeren Sommer bisweilen ein länglicher, dreikan-
tiger Knopf folgt, der grösser und stärker als bei anderen
Tulpen ist und beim Aufspringen sechs Reihen von Samen
zeigt wie bei den verwandten Arten. Unfruchtbare, gefüllte
Blüthen, die abfallen ohne Samen auzusetzen, sind ganz be-
kannt für den Knollenliahnenfuss [Panuneuliis asiaticus], Oster-
luzey, Veilchen, Goldlack, Levkoje, Nachtviole [s. oben S. IS]
und selbst wenn sie fruchtbar sind, so sind sie es nicht regel-
mässig, sondern nur bisweilen. Bei solchen gefüllten Blüthen
fehlen die Samen bald gänzlich und vollständig, so dass nicht
einmal eine Andeutung des Samens oder seines Behälters auf-
tritt, bald entstehen zwar die Samenbläschen, die zukünftigen
Samenschalen, aber sie l)leiben hohl und taub und bilden
keinen Keimling: zugleich vermisst man bald die Staubbeutel
3 *
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K. J. Camerarins.
der Staubfäden, bald auch den Griffel, indem den ihnen sonst
zukommenden Platz die hier zahlreicheren Blumenblätter allein
schon eingenommen haben. Wenn aber in den Blflthen die
Kreise der vermehrten Blumenblätter den Staubbeuteln und
dem Griflfel noch Platz lassen, so sieht man ihnen auch reife
Samen folgen. Daher sieht man auch bisweilen gefüllte
Blüthen, deren Staubgefässe den Blumenblättern angewachsen
sind oder deren Staubbeutel nicht den Staubfäden, sondern
den Blumenblättern aufsitzen, was ich beim Mohn öfters be-
obachtet habe: so erwähnt Mai.pighi ®‘) auch, dass bei der
Stockmalve [Malva arhorea] die Griffel und Blumenblätter in
gefüllten Blüthen verwachsen , so dass an der Spitze eine
Röhre hervon'agt, während sich unten der Samen oder das
Bläschen (bisweilen vielleicht taub) befindet; in ähnlicher
Weise fehlen nach seiner Beobachtung der Griffel und die
Staubbeutel bei der Ilyacinthe [Hijacinthus], dem llahnenfuss
{Bammcuhis^ und der Primel [Primula ?;em] und es tritt
an Stelle der Staubgefässe ein gelber Flecken. Ocfters schon
habe ich mich gewundert, dass die Blüthen der Päonie [Paeonid],
die sich durch ihre Grösse vor den anderen auszeichnen , iii
den behaarten und dicken Kapseln oder Hörnern die Menge
der kleinen Körnchen oder Samenanlagen nicht zur Reife
bringen; eben so oft habe ich auch [von anderen] erfahren,
dass sie unvollkommen und ohne Keimling bleiben. Die nicht
minder schönen Granatl)lüthen \halaustia = Punica G-ranatum] *•’’)
zeigen auf dem Durchschnitt ebenfalls eine Menge Samen-
köruchen, in geordneter Lage, in ihren Fächern, auch einen
deutlichen Griffel, aber sie fallen ab, ohne hoflen zu lassen,
einen Keim aus dem Samen zu erhalten. Diese beiden Blüthen
entbehren des Vorzugs der Staubbeutel, die letztere jedoch
mehr als die erstere, ))ei der zuweilen wenigstens Staubbeutel
dazwischen verkommen, aber, wie es sich bei allen gefüllten
Blüthen meistens verhält, wenige, nicht so viele, wie bei ein-
fachen. Bei den scheibenförmigen Blüthen aber [der Compo-
siten] , deren Randblütheu einen von der Staubbeutelröhre
umgebenen Griffel besitzen, kann man in der Regel auf reife
Samen hoffen, anders als bei denen, die, wie oben gesagt,
jener Theile entbehren. Und hei dieser Gelegenheit verdient
drittens untersucht zu werden, ob die keimfähigen Samen aus
gefüllten Blüthen wieder gefüllte Blüthen erzeugen? Darauf
ist nach R vjr.s ganz besonders zu achten, denn was sich nicht
beim Aussäen fortpflauzt, hält er für ein Naturspiel und erkennt
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üeber das Geschlecht der Pflanzen.
23
daher die Füllung der Blflthen nicht als einen wesentlichen
Unterschied an, eben ans dem Grunde, weil solche Varietäten
sich durch die Samen nicht fortpflanzen. So wenigstens
sagt er im allgemeinen Theil seiner Botanik, im speciellen
aber giebt er selbst Beispiele an, die dem zu widersprechen
scheinen: Der Samen der grossen vielblüthigen Ringelblume
[Calemlula officinalis] soll seine Art meistens fortpflanzen und
niemals, soweit er erfahren, den Samen der kleineren Ringel-
blume [Calemlula arvensis\ hervorbringen; dasselbe hält er
nach Parkinson von dem perennirenden grünen Akeley [Äqjii-
legin perennü virescemy^}, dessen Samen ebenfalls seine Art
constant fortpflanze und nicht Pflanzen anderer Art erzeuge.
Bemerkenswerth ist, was er aus dem Clusius über die Päonie
mit gefüllter rother Blüthe anführt; ihrer Fmchtbarkeit war
die Füllung nicht hinderlich gewesen, denn, wie er citirt,
waren aus ihren Samen drei verschiedene Pflanzen entstanden,
die im Stengel, in den Blättern und in der Wurzel vollständig
ihrer Mutterpflanze glichen, von denen jedoch nur eine im
dritten Jahre eine Blüthe brachte, die zwar dieselbe Farbe
wie die Blüthe der Mutterpflanze hatte, aber einfach war und
aus einer Reihe von 6 Blättern bestand; die andere aber
brachte eine Blüthe, die der byzantinischen Art glich, nämlich
eine einfache Reihe von acht Blättern, aber eine tiefer und
gesättigt rothe, ans schwärzliche grenzende Farbe hatte; die
dritte trug eine gefüllte, dabei etwas grössere Blüthe von der-
selben Farbe wie die der Mutterpflanze, und in jedem Jahre
brachte sie Hörnchen oder Nüsschen, von denen einige mit
einem Samen versehen waren. Dieselbe Unbeständigkeit habe
ich selbst bei den Samen der Strohblume [Xerantfmmcm] be-
obachtet, die von einer gefüllten Blüthe stammten und eine
Menge einfacher Blütheu hervorbrachten: eine einzige Pflanze
fand sich unter der Menge der übrigen, deren Blüthen wieder
gefüllt waren. Anders war cs beim Rittersporn [Dclphimum ,
indem dieser mir wiederholentlich aus dem Samen einer ge-
füllten Blüthe lauter gefüllte Blüthen brachte. Wie also gefüllte
Blüthen sich leichter bei den Pflanzen erhalten, die durch Ab-
leger oder Wurzeln vermehrt werden können, wie es beispiels-
weise die Nelken und Ranunkeln zeigen, so ist andererseits der
Erfolg bei der Vermehrung durch Samen weniger sicher, denn
dabei kehren die Blüthen bald zur Einfachheit zurück, bald
bleiben sie gefüllt. Es scheint zwar nicht gut möglich zu sein,
dass dem Samen aus einer gefüllten Blüthe irgend etwas
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R. J. Camerarius.
zugehe*); denn was hat der Samen der Strohblume mit der Ver-
mehrung der Randhlilthen zu schäften, da er sich ja nicht unter
diesen, sondern nur unter den Scheibenblllthen befindet? Im
Gegentheil scheint vielmehr dem Samen etwas abzugehen, nämlich
alles das, was für die Blumenblätter über Gebühr ver«'endet
wird; dazu kommt, dass das Gefülltsein dem Samen immer zu
einem gewissen Nachtheil gereicht. Nichts destoweniger ist
es merkwürdig, dass auch die Blüthen des Gänseblümchens
[Bcllis] und der Sammtblume [Tagetes bei denen die in der
Natur zungenförmig gestalteten Randblüthehen röhrenförmig
geworden sind, sich durch Samen fortpflanzen lassen®^), dass
ferner, nach Gekaiu)®**), die grösseren randständigen Samen
in der Scheibe der Ringelblume bei der Aussaat gewöhnlich
Pflanzen mit einfacher Blüthe liefern, die kleineren in der
Mitte aber solche von der Art der Mutterpflanze. Ueberhaupt
verdient es bei allen zusammengesetzten Blüthen, die mit zwei
Arten von EinzelblUthen versehen sind, noch der Untersuchung,
oh und welcher Unterschied sich aus den Samen der frucht-
baren Strahlblüthen und der Scheibenblüthen ergiebt.
In der zweiten Klasse der Pflanzen, bei denen die Blüthen
und Früchte auf derselben Pflanze getrennt sind, habe ich
auch an zwei Beispielen erfahren, wie naehtheilig für die
Pflanzen der Verlust der Staubbeutel ist. Denn als ich beim
Ricinus die runden Blüthenknospen vor der Entfaltung der
Staubbeutel entfernt und das Auftreten neuer sorgfältig ver-
hindert hatte, erhielt ich aus den vorhandenen unverletzten
Samenanlagen mit ihren Pinseln niemals einen vollkommenen
dreiknöpfigeu Samen, sondern ich sah die tauben Samenhäute
herabhängen und schliesslich verwelkt und verschrumpft unter-
geben. In ähnlicher Weise ergab es sich beim türkischen
Weizen [Zea], dass nach rechtzeitigem Abschneiden des sich
schon entfaltenden Schopfes nachher zwei Aehren erschienen,
die gänzlich jedes Samens entbehrten, so dass eine gi-osse
Anzahl leerer Samenhäute vorhanden war.
Für die dritte Klasse von Pflanzen, bei denen die Blüthen
und Früchte oder Samen nach den Stöcken selbst getrennt
sind, bieten der Maull)eerbaum [d/oras] und das Bingelkraut
[Mercurialis] Beispiele; da ich mich über diese früher in den
Ephemeriden (Dec. 2. A. 9 u. 10) ausgelassen habe'®), will ich
*) Mit >zugehen< und >abgehen« ist versucht worden den
Gegensatz von accedere und decedere auszudrücken.
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
25
es hier nicht noch einmal thun. Nur mit wenigen Worten sei
erwilhnt, wie ein Maulbeerbaum, der in der Nachbarschaft
keinen Genossen mit Blüthen hatte, zwar Beeren trug, dagegen
nicht eine einzige Keimpflanze in ihnen entwickelt zu haben
schien, und wie ebenso das Bingelkraut mit den Samenknöll-
chen, von der Gemeinschaft mit blühenden Pflanzen ganz aus-
geschlossen, zwar reichliche, aber lauter nicht keimfähige
Samen trug, also ohne Hoffnung auf Nachkommenschaft. Beim
Spinat ferner erprobte ich dieselbe Cultur und er
bestätigte die früheren Erfahrungen vollständig durch seine
ganz analoge Unfruchtbarkeit und seine tauben Früchte.
Dieses musste ich vorausschicken, als die der Natur-
geschichte der Pflanzen und der Beobachtung entnommenen
Grundlagen. Jetzt ^vill ich versuchen, was daraus für die
Geschlechtlichkeit der Pflanzen geschlossen und ermittelt wer-
den kann. Ich gehe also über zum Thierreich, wo es nach
dem einstimmigen ürtheil aller eine geschlechtliche Verschieden-
heit giebt, die man leicht erkennt an der Verschiedenheit des
männlichen und weiblichen Gliedes und seiner Function. Es
ist aber ausgemacht, dass in diesem Keiche zur Fortpflanzung
der männliche Samen nothwendig ist (abgesehen von der
schwierigen Frage über die Urzeugung, soweit dies für Je-
manden noch eine Frage ist), zu dessen Ausbildung und Be-
wahrung gewisse Theile bestimmt sind, welche zu ihrer Zeit
einen gehörig präparirten und spirituösen Saft ausscheiden,
während andererseits der Uterus der Weibchen mit den früher
auch als Testikeln bezeichneten Eierstöcken zur Aufnahme
jenes und zur Reifung der Frucht bestimmt ist. Im Pflanzen-
reich (abgesehen von den Pflanzen, für die eine spontane Ent-
stehung angenommen wird, und ebenso abgesehen von den
anderen Fortpflanzungsweisen, die nur für einen Theil und in
zweiter Linie in Betracht kommen, nämlich durch die Knospen
der Bäume, die Zwiebeln der Stauden u. s. w.) vollzieht sicli
keine Fortpflanzung durch den Samen, diese Gabe der voll-
kommenen Natur und das allgemeine Mittel zur Erhaltung der
Art, wenn nicht die vorher erscheinenden Staubbeutel der
Blüthe die Pflanze selbst dazu vorbereitet haben. Es erscheint
also billig, diesen Staubbeuteln einen edleren Namen und die
Function der männlichen Geschlechtstheile beizulegen, so dass
also ihre Kapseln die Gefässe und Behälter sind, in denen
der Samen selbst, jener Staub, der subtilste Bestandtheil der
Pflanzen, ausgeschieden, gesammelt und von da aus später
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26
R. J. CamerariuB.
abgegeben wird ; er gelangt nämlich an die Spitze der Pflanze,
wenn er schon gehörig durchgeseiet und verfeinert ist, hier
wird er secernirt und erlangt seine grösste Wirksamkeit. Wie
bei den Pflanzen die Staubbeutel die Bildungsstätte des männ-
lichen Samens sind, so entspricht der Behälter der Samen mit
seiner Narbe oder seinem Griffel den weiblichen Geschlechts-
theilen, denn derselbe leistet wenigstens dem jungen Keim,
den er empfängt und bewacht, mütterlichen Beistand. Dabei
bleibt für die Blumenblätter nichts übrig , als was ihnen
gewöhnlich als Geschäft zugeschrieben wird, nämlich den Saft
zu verfeinern und zu reinigen, die zarten Samenbehälter zu
schützen, bis diese gegen äussere Unbilden widerstandsfähiger
werden und jener nicht weiter bedürfen, denn dann, nach Voll-
ziehung ihrer Function, fallen sie ab. Dass sie den Staub-
beuteln einen ähnlichen Dienst leisten, kann aus dem schon
erwähnten Stellungsverhältniss, das zwischen ihnen stattfindet,
geschlossen werden. Vergänglich sind diese Theile, welche
beiderseitig für die Zeugung dienen, und jedes Jahr ist die
Natur gezwungen, neue Samenwerkzeuge für die neu entstehen-
den Keime zu bilden. Denn es bleibt, wie Mälpigiii'') be-
merkt, nicht beständig derselbe Uterus in Kraft, sondern jeder
Zweig besitzt in dem Jahre, wo er ans Licht tritt, seine eige-
nen Samenwerkzeuge und erhält sich nur kurze Zeit fruchtbar,
den Rest seines Lebens verbringt er aber in Unfruchtbarkeit,
so dass man mit Theophkast (hist, plant, lib. 4, cap. 14)
fragen kann, ob man ihn als dieselbe oder eine verschiedene
Pflanze betrachten soll.'’'^).
Zur Zeit wann die Männchen der Thiere anfangen reich-
lichen Samen zu bilden, werden die Weibchen zur Empfängniss
bereit und beide werden zur Vereinigung getrieben und bei
dieser Copulation, so innig, dass man die beiden ein Fleisch
nennt, wird der männliche Samen in das Weibchen ergossen.
Bei den Pflanzen linden in gleicher Weise gleichzeitige Be-
wegungen der befruchtenden Staubbeutel und des zu befruch-
tenden Griffels statt, zn gleicher Zeit offenbaren sie ihre
Function und bei der ersten Klasse der erwähnten Pflanzen
stehen sie sich sehr nahe und bleiben in dieser Copulation
bis zum Abfall der Blüthe. Sehr merkwürdig ist diese Ver-
einigung dem Stagiriten erschienen, der mit einer Betrachtung
darüber sein erstes Buch über die Erzeugung der Thiere ge-
schlossen hat; er ist nämlich der Ansicht, dass die Thiere
bei der Zeugung, ähnlich den Pflanzen, in ihrem ungetrennten
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
27
Wesen erscheinen , und dass ihre Natur dahin strebe , aus
zweien eines zu machen, wie er denn auch beobachtet hat,
dass manclie lange in dieser Vereinigung ausharren. -»FreUich,
sagt er, scheinen die Tkiere gleichwie Pflanzen getrennt zu, sein,
insofern man auch diese, nachdem sie ihren Samen übertragen
haben, trennen und nach dem ihnen cigenthümlichen männlichen
oder weiblichen Oeschlecht eintheilen kann.* Dies alles, sagt
er, ist von der Natur wohl geordnet, denn die Pflanzen haben
keinen anderen Zweck als die Fortpflanzung, welche bei der
Vereinigung von Männchen und Weibchen vollzogen wird,
und beide Geschlechter sind in ihnen vermischt; die Thiere
aber, die nicht bloss leben, sondern auch empfinden und ge-
trennten Geschlechts sind, vereinigen sich, w'enn sie nur als
lebende Wesen ihrem Triebe folgen, mischen sich, und wird
gleichsam Pflanzen, ln seinem Buch über die Pflanzen drückt
er sich so aus : > Wenn also die Natur Männchen und Weib-
chen vereinigt hat, so ist sie richtig vorgegangen; denn bei den
Pflanzen finden wir keine andere Function als die Erzeugung
der Früchte und das Thier ist nur zu der Zeit von seinem
Weibchen getrennt, in der es sich nicht mit ihm vereinigt.*'''^)
Im Thierreich besitzen die Hermaphroditen beiderlei Ge-
schlechtstheile und sie kommen nicht nur gegen die natürliche
Ordnung in der oder jener Art als Monstrositäten vor, sondern
auch in gewissen Gruppen regelmässig und sind für sie eigen-
thümlich. »Zh'e Schnecke ist, wie S\\^uimei{DAMm schreibt,
doppelten Geschlechtes , sie besitzt einen dicken tveissen Penis
und die weibliche Geschlechtsöffnung am Halse. Sie vereinigen
sich beim gegenseitigen Aufeinandertreffen so, dass sie wie die
Zähne zweier Sägen ineinander zu passen scheinen.* Solixus
sagt über die Schalthiere: >sie verhalten sich gegenseitig han-
delnd und leidend, sie befruchten und empfangen zugleich.*
Mit diesem, mit Kajus und mit Listerus stimmt auch der
Abt Marsilius überein, gestützt auf die Beobachtungen
Harder’s.'^) So sind auch die übrigen Schalthiere Zwitter,
»sie haben das männliche Ih-incip mit dem andern gemischt*,
w'ie Aristoteles sagt, der auch für gewisse Fische es be-
zweifelt, ob sie getrennten Geschlechtes sind, weil alle, die
gefangen werden, Eier enthalten. (Hist. anim. lib. 6, cap. 13;
De gen. anim. lib. 3, cap. 11.) Das aber bleibe der Unter-
suchung der vergleichenden Anatomen überlassen. Grösser
jedoch ist die Zahl der Thiere, bei denen der geschlechtliche
Unterschied stärker hervortritt, indem nämlich das Männchen
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28
E. J. Camerarius.
und das Weibeben als verschiedene Individuen auftreten, dabei
aber von einer Art und auch Nachkommen derselben Mutter sind,
so dass, wenn sie zur Fortpflanzung gelangen, dieses aus sich
selbst, jenes in dem anderen zeugt. Im Pflanzenreiche ist der
grossere Theil der Pflanzen von doppeltem Geschlecht, näm-
lich alle, die mit Blumenblättem und Staubbeuteln versehen
sind und ebenso die, welche ohne Blumenblätter neben den
Staubbeuteln die Anlagen der Früchte besitzen, sie sind Her-
maphroditen, sie befruchten sich selbst, was hier überhaupt
eigenthümlich ist, sie zeugen aus sich selbst das, was sie
empfangen haben. Die übrigen, theils Blüthen, theils Früchte
tragenden Pflanzen besitzen die männlichen und weiblichen
Theile getrennt; warum sollen sie nicht auch deren Function
ausüben und mit den ihnen zukommenden Namen und Be-
zeichnungen belegt werden? Sie verhalten sich ja zu einander
wie Mann und Weib, und sind auch anders nicht verschieden;
sie unterscheiden sich also dem Geschlechte nach und das ist
nicht nur, wie man es gewöhnlich thut, als eine Art Vergleich,
Analogie oder bildlich aufzufassen, sondern in der That und
wörtlich so zu nehmen. Da freilich in diesem Reiche die
Zahl der Zwitter so gross ist, so könnten nur jene wenigen,
bei denen Blüthe und Fracht an verschiedenen Individuen
sitzen, mit den Thieren besonders aus dem Grunde ver-
glichen werden , dass sie Männchen und Weibchen getrennt
zeigen, und gerade aus diesem Anzeichen würde man die
Vermischung der Geschlechter, die sonst schwerer aufzufinden
wäre, leichter erkennen. So scheinen also gerade diese auf das
bei allen Pflanzen ähnliche Princip ganz besonders hinzuweisen.
Die ersten Umrisse des Thieres erscheinen in dem em-
pfangenden Theile nach der Befruchtung und die Anlage des
Keimes geht der Bebrütung des Eies voraus : bei den Pflanzen
tritt der neue Keim, das Keimpflänzchen nach dem Verblühen
in seinem Bläschen auf und der zu seiner Zeit reife Samen
wird aus seinem aufspringenden Behälter in die Erde ge-
worfen, gleichsam eine Empfängniss, und in diesem Mutterleib
birgt er seine Blättchen und lässt sie darin erwärmt und er-
nährt werden und wachsen. Diese Art der Empfängniss hat
wiederum Akistoteles anerkannt (Du musst es mir nicht
übel nehmen, dass ich diesen öfters citire, denn er verdient
in der Lehre über die Fortpflanzung citirt zu werden), denn
nachdem er sorgfältig unterschieden hat zwischen dem Samen
der Pflanze und dem der Thiere und den Männchen die
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
29
Zeugung iyovifjp), nicht den Samen [arrto^iu) zugeschrieben hat,
beschreibt er beides in dem Buch de gen. anim. (lib. I, cap. 1 8)
und zwar jene, weil sie die von dem Zeugenden heirührende
Ursache ist, als die erste Veranlassung xur Entstehung der
Fortpflanzung, nämlich da, wo nach dem Willen der Natur ein
Coitus stattfindet, diesen [den Sanmi\ als das Product beider,
des Coitus von Männchen und Weibchen. Und zu letzterem
gehört, wie er sagt, der Same aller Pflanzen als das, was
zuerst aus der Vermüchung von Männchen und Weibchen ent-
steht, rds ein Empfängrvissrorgang oder ein Thier [quasi con-
ceptus quidam aut animal]. Ganz gewiss leugnet er an ver-
schiedenen Stellen nicht gerade die Geschlechtlichkeit der
Pflanzen, er nennt sie vielmehr ein gemischtes Geschlecht, wie
er z. B. bisweilen von ihnen sagt: T>Bei ihnen ist Männchen
und Weibchen nicht getrennt.* Er lobt sogar’*) in dieser Hin-
sicht den Empedocles, weil dieser die Pflanzen aus einem
Ei entstehen lässt, den Samen selbst mit dem Ei vergleicht,
l)eide als Empfängniss bezeichnet, in jenem die Anlage der
Pflanze, in diesem die des thierischen Keimes sieht. Ebenso
spricht sich Theophrastus aus (Ue Causis plantarum lib. I,
cap. 7): »Nicht unpassend sagt Exipeüoci.es , dass die Bäume
an den hohen Zweigen Eier zu tragen g)flegen. Denn die Natur
der Samen ist den Eiern nahe verwandt. Jedes hat seine Nah-
rung in sich, wodurch es auch eine Zeit lang auszuhalten ver-
mag und nicht wie der Samen der Thierc, mit Äusnahme derer,
welche Eier legen, sofort zu Grunde geht, wenn er abgesondert
ist; denn diese, durch ihre Nahrung geschützt und bewahrt,
vermögen die Erhaltung ihrer Keime besser zu sichern.* Merk-
würdigerweise hat keiner von ihnen das Junge im Ei und das
Keimpflänzchen im Samen gesehen.
In der Art, das Zeugungsgeschäft der Thiere zu erklären,
stimmen niclit Alle überein. Die einen lassen von den Eier-
stöcken der Weibchen Bläschen entstehen, die, von dem Ein-
fluss der Männchen angeregt, die Fäden [stamina], die sie
entlnelten, sich entwickeln und entfalten lassen, so dass in
dem Empfängnissorgan der zarte Keim mit seinen Häuten und
einer nothwendigen Zugabe der eisten Nahrung von dem Eier-
stock durch die Muttertrompete in den Uterus gelangt, um
dort bis zu seiner vollen Keife sich zu ernähren und zu
wachsen. Die Anderen leiten die Anlage des Keimes nicht
von dem Weibchen, sondern vom Samen des Männchens ab,
indem sie in diesem kleine Thierchen gesehen haben wollen,
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R. J. Camerarias.
die mit dem Saft in den Uterus gespritzt werden, diese Würm-
chen sollen in die Eier eindringen und so soll die Erzeugoing
eher als eine solche des Samenthierchens [vermis] als des Eies
anfzufassen sein. Wir haben diesen Streit nicht zu schlichten.
Aber, wenn dies noch nicht einmal in dem Thierreich, wo
die Geschlechtlichkeit von Niemandem in Zweifel gezogen wird,
entschieden werden konnte; wer möchte dann verlangen, dass
es in den Verhältnissen der Pflanzen klar sei, wo nicht so-
wohl von der Art der Zeugung, als vielmehr einfach von dem
Beweis der geschlechtlichen Diflerenzirung, in dieser Weise
wenigstens, eigentlich die Rede ist. Es wäre doch sehr zu wün-
schen zur Lösung dieser schwierigen Frage, dass wir von denen,
die durch ihre optischen Instrumente mehr als Luchsaugen
haben, erführen, was die Körnchen der Staubbeutel enthalten,
wieweit sie in den weiblichen Apparat eindringen, ob sie unver-
sehrt bis zu dem Ort kommen, wo der Samen empfangen wird,
und was, wenn sie platzen, aus ihnen austritt. Jedoch dürfte
man nicht im Stande sein, in dem kugeligen Pollen selbst oder
in den der Pflanze angewachsenen Samenbläschen, also in
dem befruchtenden Stofle oder in den noch nicht befruchteten
Eiern einen Keim zu eutdecken. Es ergiebt sich also , bei
der Verschiedenheit der Meinungen, dass nach den einen die
Frucht vom Männchen ausgehe, und vom Weibchen wie im
Acker nur gepflegt und ernährt werde, nach den andern da-
gegen, dass der Zeugnngsstoff des Männchens nicht in den
Uterus gebracht werde, wie der Samen der Pflanzen in die
Erde, sondern dass man den männlichen Sameusaft mit den
Staubbeuteln der Pflanze und das Empfängnissorgan des Thieres
mit dem Samen der Pflanze vergleichen müsse.
Hinsichtlich der Vergleichung der Pflanzen und Thiere
muss zur Ergänzung noch Folgendes hinzugeftigt werden. Da
auch von den scharfsinnigsten Gelehrten angenommen wird,
dass der kunstvolle Organismus des Thieres nicht ein Werk
des Männchens oder Weibchens, sondern in seinen ersten
Keimanlagen von Gott geschaffen und gebildet, dann nur ent-
wickelt und vergrössert sei, so ist es bemerkenswerth, dass für
den pflanzlichen Organismus dieselbe Annahme gilt, sowohl
in der Meinung derer, die die Anlage aller Thiere einer Art
in dem ersten Eierstock des Weibchens ein geschlossen sein
lassen, als auch bei denen, welche eine getrennte Entstehung
annehmen: dies kommt deswegen hier in Betracht, weil ja
in jeder der beiden Ansichten das Männchen keine Wirkung
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
31
besitzt, die nicht in gleicher Weise auch dem männlichen Princip
bei den Pflanzen zngeschrieben werden könnte.*)
Theopurartus sagt bei Erwähnung der Palme, die mit dem
Blüthenstaub einer anderen Pflanze befruchtet werden muss, dass
tciwas difspm ÄfhnlicJm atich in dem Geschleckte der Fische vor-
kommt, da das Männchen auf die ausgestossenen Eier seinen
lebendigen Samen spritzt* (de causis plant, lib. 2, cap. lö). Ge-
legentlich erinnert sich auch dieser Erscheinung sein grosser
Lehrer und sagt; »Die Fische bespritzen die Eier, und, loie man
sagt, verschlingen die Männchen einen grossen Theil der Eier,
andere aber gehen im TPasscr xti Grunde. Die aber an günstigen
Orten cd>gelagert sind, bleiben erhalten. Denn, wenn alle un-
versehrt blieben, so würde die Menge dieses Geschlechtes zu gross
iverden. Ja nicht einmal von diesen ist jedes enticickelungs fähig,
sondern nur die .sind es, die das Männchen mit seinem Zeugungs-
stoff besprengt hat. Denn während der Eiablage bespritzt das
nachfolgende Männchen die Eier mH seinem Samen. Aus allen
denen also, die, bespritzt worden sind, entstehen junge Fische,
der anderen wartet ein atuleres Schicksal.* (Hist. anim. lib. 6,
§141, 1. c. § 156. 163.)'^) »Wenn der Samen die Eier nicht
getroffen hat, so wird das Ei zwedclos uml unfähig zur Ent-
ivickelung.* Ferner sagt er: »Je dreissig oder vierzig Männ-
chen folgen den cinzel)ien Weibchen, und ivenn sie das Ei, das
diese bei ihrer Entfcimung ausgestossen. haben, erreiche>i, .so be-
spritzen sie es mit ihrem Samen. Aber weil das Weibchen die
Eier nicht hintereinander, sondern mit Unterbrechungen ablegt,
gehen die meisten Eier zu Grunde, ituiem .sie von der Strömung
ergriffen und zerstreut werden.* Wie Soai.ioeu bemerkt, wird
durch das Äneinanderreil>en der Nabel das Weibchen gereizt,
die Eier abzulegen, das Mänucheu, seinen Samen auszustossen :
IL\kvey bestätigt diese Ergiessung der Milch oder des Samens
*) In der ursprünglichen Ausgabe von 1694 finden sich hier
noch folgende zwei Sätze angefiigt.
»Da die Aussprüche der hier von mir citirten alten Schrift-
steller durch diese Ansicht der neueren Zeit erläutert werden
können, ja sogar das Geschlecht allein auf die Fortpflanzung be-
zogen wird'*’), so habe ich es nicht für unpassend gehalten meine
vor einem Jahre in der Sitzung der Professoren [V, actu magiste-
riali vorgetragene Rede, mit Anslassnng dessen, was mir nicht
hierher zu gehören schien, diesem Briefe anhangsweise hinzu-
znfUgen. Lies sie, wenn Du Lust hast, und bourtheile sie, ver-
lange aber von mir kein rhetorisches Kunstwerk.«
lieber die Rede im Anhang vergl. das in unserer Einleitung
p. IV Gesagte.
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32
R. J. Camerarius.
der Männchen über die eben abgelegten Eier der Weibchen. '^)
Leeuw'ekhoek giel)t an’^), dass die Frösche sich deswegen
vereinigen und aufeinander sitzen, damit zur gleichen Zeit,
wann das Weibchen seine Eier ansstösst, das Männchen seinen
Samen auf sie fahren lässt, da es zu keiner passenderen Zeit
ihn auf die Eier zu spritzen vermöge. Ebenso pflege das
ganze Geschlecht der Fische, bei dem das männliche Glied
fehlt, seinen Samen zwischen die Eier der Weibchen auszu-
stossen. Eine andere und zwar sonderbare Erklärung für das
Sichumfassen der Frösche, wie auch für den Coitus nach Art
der Vögel giebt Rivixus an (Act. Lips. An. 87. M. Majo).*»'*)
Es wäre jetzt zu erörtern, ob diese Milch der Männchen in
ihren feinsten Theilen durch die Eihaut eindringt und den
vorher schon angelegten Keim zur Entwickelung anreizt oder
ob vielmehr die Thierchen selbst eindringen und sich dort nur
festsetzeu, aber ich finde, dass dieser Modus der Befruchtung
nicht nur bei den Fischen das Geschäft vollzieht, sondern sich
auf alle Thiere erstreckt bei aller Verschiedenheit der Em-
pfilngniss ; mag der männliche Stoff“ durch Röhren, durch Blut-
gefässe oder durch die Oclfnungen des Uterus zum Ovariuin
gelangen und dort die Bläschen l)efruchten oder mag sieh das
Ei in Folge eines Miasma’s von Seiten des Männchens innerhalb
seines Schleimes entwickeln und augeregt werden: überall wird
eine sehr grosse Fähigkeit der Durchdringung [für den männ-
lichen Samen] vorausgesetzt. Mit Recht knüpft Aristoteles
an die Erwähnung der Erscheinung bei den Fischen den
Spruch: *I)cr Ein/luss dfs Männchms ist nicht sowohl ein
quantitativer als ein qualitativer. < Und wie er, so behaupten
die meisten, dass der männliche Samen nicht stofflich sich
mit dem Ei vereinige, sondern nur eine Einwirkung auf das-
selbe ausübe. »Bei keinem Geschlecht der Thiere., soviel ich
weiss*, schreibt Ra.ius, »tritt der Zeuffungsstoff in das Orarinm
ein, ja nicht einmal in den Uterus hei den meisten, sondern
schon der Hauch tmd die feinen Ausströmungen genügen x,tir
Befruchtung der Eier und zur Belebung des in ihnen einge-
schlosscnen Enilwgos.* Dies bedarf einer um so weitläufigeren
Erörterung, je nothwendiger es zum Beweise ist, dass bei den
Pflanzen eine Befruchtung stattfinde. Da die Staubbeutel der
Blüthe, in welchem Verhältniss sie auch zu den Griffeln stehen
mögen, alle sich darin gleichen, dass sie ihren kugeligen Pollen
über diese ausstreuen, die Natur aber in evidenter Weise an
dem Beispiele [der Fische] gezeigt hat, dass die oberflächliche
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
33
Berührung des Zeugungsstoffcs und des Eies zur Befruchtung
des letzteren genüge, so kann Niemand abstreiten, dass der
leichtbewegliche Pollen der Blüthe zur Befruchtung der Samen-
blilschen bestimmt sei. Die Schwierigkeit ist in beiden Rei-
chen wieder gleich gross: Alles, was man anführeu kann um zu
zeigen, dass die Eier und die von den Fischen blindlings mitten
in das Wasser ergossene Milch sich berühren, das wrd auch dazu
dienen, nm die Wirkung des auf die vegetabilischen Eier ge-
brachten Zeugungsstoffes der Blüthe zu beweisen. Wenn das
Wasser den Eiern der Fische ihren Infectionsstoff znführt,
oder wenigstens dessen Einfluss nicht ganz vernichtet, warum
soll nicht die Luft durch ihre Bewegung den Coitus unter-
stützen und der Wind die dürstenden Griffel mit dem ge-
wünschten Regen erfüllen können? Dabei braucht man nicht
zu glauben, dass jener Reichthum, ja Uebeiüluss an Pollenmehl,
das in manchen Pflanzen so massenhaft gebildet wird, umsonst
oder zum Prunk da sei, sondern es wird durch ihn ergänzt,
was, bei dem Abstand des männlichen Elements, nothwendiger-
weise umsonst verstreuet werden und das weibliche Element
verfehlen muss. Um also dieses Element oder den Pollen
aufzufangeu, bemühen sich die Empfängnissorgane mit ver-
einten Kräften, erheben sich über das Samengehäuse und
während sie meistens kurz sind, erreichen sie beim türkischen
Weizen, dessen Körner so verborgen sind, eine grosse Länge,
damit ihnen der Than von den Staubbeuteln ja nicht entgeht.
Da aber der Blttthenstaub der Kätzchen die entfernten Samen-
behälter befruchtet, so entsteht auch die Frage, ob bei den
anderen Staubbeuteln ihr Einfluss sich nur auf den Grifl'el er-
streckt, mit dem sie innerhalb der Blüthenblätter vereinigt sind,
oder auch auf den Griflel einer benachbarten Blüthe?
Die Eier der Fische, die nicht vom Samen des Männchens
I)enetzt sind, sind zur Fortpflanzung untauglich und aus ihnen
entwickeln sich keine Fischchen, wie Akistotei.es lehrt; er
behauptet auch, aus Erfahrung zu wissen, dass die Hennen
und andere Vögel bisweilen ohne Coitus Eier legen, die auch
Dotter und Eiweiss enthalten, aber taub sind, keinen An-
satz eines Keimes haben und aus denen, wie sehr sie
auch bebrütet werden, kein Hühnchen entsteht. Da bei den
Weibchen aller Thiere, auch beim Menschen, alle Eier zu-
gleich angelegt werden, so ist ferner zu untersuchen, ob
sie ein ähnliches Schicksal erfahren [d. h. einige unbefruchtet
bleiben]. Indessen ist es sicher, dass von den Fischeiern
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R. J. Camerarias.
eine »rosse Meu»e zu Grunde geht denn sonst würden, so
hefUrchtet l‘i.ixirs, die Meere und Teiche davon angefüllt
werden, da jeder einzelne Uterus nnzählige enthiUt), und dass
die Narbe an den tauben Eiern der Hühner nicht dieselbe
Lage hat, wie an den fruchtbaren. Ursache davon ist im
Allgemeinen der Mangel des männlichen Samens, sei es, dass
der Keim von ihm geliefert worden wäre, sei es, dass er mit
einem nicht wahrnehmbaren Zengnngsprincip den Keim im Ei
hätte anregen müssen. Was hindert uns nun, mit diesen tauben
und unfruchtbaren Eiern die ebenfalls tauben und unfruchtbaren,
von dem männlichen ibrincip der Staubbeutel nicht benetzten
Samenbläschen der PHanzen zu vergleichen? Das leuchtete
schon damals dem Theoimirastts ein. der zngiebt hist. lib. I,
cap. IS), die unfnn:htb<irvn S<imen der Pflanxen^ wie die
jrimleier, des feuchten und warmen Elements entbehren, das
den fruchthiren Eiern innewohnt.< Wärme und Feuchtigkeit
freilich bedürfen alle Samen, aber nicht in ihnen besteht die
Zenguugskraft ; das Fehlen des Keimes macht die Samen tanh.
Auf die Aehnlichkeit und den Unterschied zwischen ihnen und
den ohne Hülfe des Hahns von den Weibchen allein gelegten
Eiern und Windeiern wollen wir nicht eingehen. Das ist
sicher, dass die Entstehung der Samenbläschen vorausgeht und
die Eier erscheinen, bevor sie durch den EinÜnss des männ-
lichen Elementes angeregt werden; ja ohne dieses wächst die
Schale und Hülle des Eies, nämlich das Samengehäuse, wie
das essbare Fleisch der Maulbeeren, und entwickelt sich voll-
ständig, aber nicht zu einem Keimling; ein Keimpdänzchen.
das für einen fruchtbaren Samen absolut nuthwendig ist, ent-
steht nicht darin, es fehlte eben, was vom Männchen hinzn-
kommen musste, wovon doch sonst eine grosse Menge vergeb-
lich zu Grunde geht: die Eier sind ayora, unfruchtbar, nicht
'/öytiut, fruchtbar. Scalu;eb will, dass man '/üvtuov lieber
mit entwickelnngsfähig .genitabile' als mit fruchtbar fecundum'
übersetzen soll: »Denn es brimjt nichts Itervor, somiem ent-
wickelt sich mm fert, sed fertur : es wird fit' zu einem Fisdt
tsler Visjel. aber es brimjt fert\ nicht einen Fisch o<ler Vogel
hervor* Comment. in Aristot. Hist. anim. lib. VI). Aber ge-
rade weil die tauben Eier nicht den Fisch oder Vogel hervor-
bringen, d. h. die Anlage des Embryo, den kleinen Körper
oder organischen Keim, deswegen sind sie zur Fortpdanznng
untauglich ; im Uebrigen werden beide, die fruchtbaren und die
unfruchtbaren in gleicher Weise von der Mutter ausgetragen
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
35
und gelegt, aber der Fisch oder Vogel hätte schon bei der
Empfängniss hervorgebracht werden müssen. Was aus einem
pflanzlichen Ei wird und was es hervorbringt, will ich an
meiner Stelle den Rolfiscius*’*) auseinandersetzen lassen;
» Tl'iV gehen xu, dass ein Baum, ein Strauch, ein Kraut etwas
crxeugen, uenn sie Samen tragen, 7iicht aber dass ein Baum,
ein Strauch, ein Kraut erzeugt werden, wenn sie dem Samen
entkeimen, sondern dann vervollkommnet sich nur das Erzeugte,
das vorher unvollkommen war.* Wenn wir noch hinznfügen.
was ScALiGER selbst in seinem Commentar zum Theophkastvs
(lib. I, cap. 7) sagt, so wird man sehen, wie unsicher er bei
diesem Geschäfte war, nur weil das Keimpflänzchen noch nicht
entdeckt war: »Nicht also*, schreibt er, »halte ich die Frucht
für den Samen oder das Ei, entsjwechend dem Samen des Thieres,
sondern für den vollständigen Keim, der im Innern des Samens
verborgen, aber noch nicht von ihm abgegliedert ist; vollständig
sage ich, in allem Uebrigen, nur nicht aljgegliedert. Ich weiss,
daess dies, als der gewöludichen Ansicht entejegenstehend, von den
ungesdndteren Geistern nicht xugegeben werden wird.*^-]
Jene nnfruchtbaren, ohne Einfluss des Männchens entstan-
denen Eier der Vögel nennt man gewöhnlich Windeier sub-
ventanea, hypenemia, Zephyria] deshalb, wie Aristoteles
den Kamen erklärt, weil die Vögel zur Frühlingszeit vom West-
wind einen befruchtenden Hauch zu empfangen scheinen. Da-
rauf bezieht sich auch Virgil, wenn er Georg, lib. 3 [271 — 277]
den aufgeregten Zustand der Stuten besclrreibt;
> Gleich, wann im gierigen Mark das verborgene Feuer
erwachte.
Vollends im Lenz — denn im Lenz kehrt wieder die
Gluth den Gebeinen —
Stehn sie, die Küstern zum Zephyr gewandt, hoch oben
auf Felsen,
Säuselnde Lüfte zu schlürfen, und oftmals, ohne Begattung,
Wurden vom Windhauch sie — o Wunder zu melden! —
geschwängert.
Hin durch Felsen und Klippen und tief .absinkende Thäler
Fliehn sie .... *
Diese Worte könnten besser auf die Empfängniss der
Pflanzen angewendet werden, als auf die der Thiere, denn
diese, mögen sie auch durch den Wind bewegt und erregt
werden, empfangen von ihm doch keinen Keim: aber jene
Oätwald's Klassiker. 105. 4
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36
R. J. Camerarius.
verdanken dem Winde allerdings mehr, indem ja im Frühling
die Empfängnissorgane, gleichsam eben so viele Nüstern zum
Zephyr gewendet stehen, säuselnde Lüfte und in ihnen den
ansgestreuten Blüthenstanh zu schlürfen, und sie ohne Be-
gattung vom Windhauch geschwängert (o Wunder zu ineldenl
empfangen. Fnichthar also wäre das Ei, das hier bei der
Pflanze durch den Wind oder die Luft, die Träger des
männlichen Princips seine Empfängniss erhält, und wurde nicht
dasselbe bedeuten wie ein Windei oder ein unfrnchtbares.
Die Kraft des Favonius Westwinds] preist auch Pun'U'S, er
übertreibt aber dabei flib. IG, cap. 25), wo er das Gesetz für
die Entstehung der Bäume, wie es die Natur in jedem Jahre
befolgt, bespricht, dass nämlich die Empfängniss im Keime,
die Geburt in der Blüthe, die Entwickelung in der Frucht
stattfinde: » Zuerst«:, sagt er, •»kommt die Empfringuiss, wenn
der Favonim xu wehen beginnt, denn durch ihn irird befruchtet,
was aus der Erde ivächst, wie auch die spanischen Stuten. Er
ist der befruchtende Hauch der Welt, von seinem erudhrr?>eien
Princip [fovere^ Favonius genannt, der Bringer des Frühlings.
Die Laufzeit der Hunde nennen es die iMndteutc, wenn die
Natur die Thiere treibt, den Samen zu empfangen, und allen
die Lust danach hinlänglieh erzeugt.« Das ist nun freilich mit
einem Körnchen Verstand aufzufassen; denn wie kann, abge-
sehen von der alten Fabel über die vom Winde geschwängerten
spanischen Stuten, eine solche Frucht etwas anderes sein, als
eine taube, als ein Windei, eine Missgeburt?
Schliesslich gilt in dem gesummten Reiche der geschlecht-
lich verschiedenen Thiere das unveränderliche und constante
Gesetz, dass zur llervorbringung eines neuen Individuums der
gleichen Art beides, Männchen nnd Weibchen, so nothwendig
ist, dass, wenn das eine oder andere fehlt, wenn die Ge-
schlechtsorgane verletzt, geschwächt, oder auf andere nnnattir-
liche Weise missgebildet sind, wie besonders bei castrirten
^lännchen und Weibchen, auch keine Zeugung möglich
und die Copulation Castrirter erfolglos ist: dasselbe gilt im
Pflanzenreich, wenn die Staubbeutel der männlichen oder die
Griftei der weiblichen Blüthe, besonders aber, wenn beide
fehlen, so entsteht kein Keim, indem entweder die Samen-
bläschen leer bleiben, in denen er angelegt werden sollte, oder
auch überhaupt keine. Anlage des Samens oder Samenbehälters
stattfindet; so schwer leidet das eine unter der Abwesenheit
des anderen. Ebenso verhält es sich mit der Füllung der
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
37
Blilthe, deren Bedeutung für die Geschlechtlichkeit der Pflanzen
besprochen wurde, und der hilufig darauf folgenden Sterilität.
Deren Ursache ist das Fehlen des Griflels oder der Staubbeutel,
des Empfängniss- oder des Zeugungsorgans. Sie fehlen aber
wegen der Menge der Blumenblätter, indem ein Theil der
Saftmenge jenen vorenthalten oder sonst verbraucht oder auch
verschwendet wird, dadurch dass er in die Blumenblätter ab-
geleitet wird; wie nämlich Kajus nach Mau’Ujiii angiebt'*-')
wachsen die Gefässbflndel in die Blätter und werden von
ihnen aufgenommen, so dass keine Ilolzfaseni für den Bau des
Fruchtknotens und der Blase des Fruchtwassers übrig bleiben.
Warum dies freilich nur bei einigen wenigen , genau ange-
gebenen, bei anderen Pflanzen aber nicht stattfindet, das
empfehle ich Dir und anderen zur Ucberleguug; ebenso die
andere nicht minder wichtige Frage , welcher Umstand jene
zahlreichen und aussergewöhnlichen Blumenblätter zu bilden
pflegt. Die einen, nach denen das Bildungsprincip die Natur
oder die Seele der Pflanze ist, werden sagen, dass diese hier
muthwillig und spielerisch verfahren ist, die anderen, nach
denen alles von der ursprünglichen Schöpfung herrührt, werden
vielleicht zugeben, dass von Gott einige Samenkörner geschaften
sind, mit der Anlage von so vielen Blumenblättern, ausdrück-
lich zu dem Zweck, dass die gefüllte Blüthe, unter günstiger
Fermentation der Säfte entstehend und ihre Petalen entfaltend,
einen grossen Eindruck auf unser Auge mache, oder sie werden
sagen, dass einige Keime, an die Spitze des Stengels gelangt,
nur ihre Blumenblätter entwickeln, alle übrigen Thcile aber
gänzlich unterdrücken. ''<] Dieselbe Schwierigkeit scheint sich
aufzudrängen bei den sonst zungenförmigen Blütheii, wenn sie
röhrenförmig werden. Ob der ursprüngliche Schöpfer wohl
auch einige Keime geschaffen hat mit der Anlage für derartige
RöhrenIdUthen ? Dem widerspricht allerdings, dass das Tau-
sendschönchen [7^c///.s-] mit röhrenförmigen Blüthen, wie ich es
von Hof.maxx erhalten habe, bisweilen wieder in die gewöhn-
liche Form mit zungenförmigen Randblüthen zurückschlägt. *>^)
Aber darüber klagen auch die Gärtner, dass gewisse gefüllte
Blüthen in die ursprüngliche Einfachheit zurückkehren. Doch
wollen wir uns damit hier nicht aufhalten. Ich fahre fort,
das Wesen der Unfruchtbarkeit zu besprechen. Es frägt
Tiieopiirastuh (Hist. lil). 2, cap. 5) *oh ein Baum, wie die
Thicre, unfrueitthar werden könne in Foltje irgend einer Störung
oder dir Entfernung eines Theiles von ihm.* Ebenso (lib. 1,
4 *
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38
R. J. Cameraiins.
fap. 22 und lib. 4, cap. 4) *ron rf/’H BUithm der Citronc [^CitniK
vifdira] noUeii die fruclithar sein, die in der Mitte einen auf-
rechten spiinirockennrtigen Körper (wahrscheinlich den Griffel
und die Rtaubgcfilsse) tragen: die ihn aber nicht haben, seien
nnfruehthar.* Es versteht sich, dass die Unfruchtbarkeit der
l’fianzen nicht immer auf demselben Umstande beruht. Un-
fruchtbar werden auch genannt die männlichen und blühenden
IMlanzen des llingelkrautes [J/crcMmfe], des Hanfes [Cannabis\
u. a., aber nicht recht passend; denn der Vater, der ja doch
weder einen Keim enthält, noch hervorbringt, was das Ge-
schäft der Mutter ist, wird mit Unrecht unfruchtbar genannt,
wenn er es nicht durch Castrirung wird, bei Pflanzen sowohl
als auch bei Thieren. Unfruchtbar sind die Weibchen bei
Pflanzen, wenn sie als Jungfern oder Wittwen den männlichen
Einfluss nicht erfahren; unfruchtbar sind die Zwitter, wenn
die männlichen oder weiblichen Geschlechtstheile verletzt sind;
von der zufälligen Unfruchtbarkeit in Folge des Standortes,
der Cnltnr n. s. w. ganz abgesehen. Nicht übergehen aber
kann ich eine gewisse Unfruchtl)arkeit, die auf der Cnltur be-
ruht und vou Tiieophkast (de causis lib. 3, cap. 23) als eine
Art von Vollkommenheit oder Veredelung bezeichnet wird.
* Manche Pflanxat urrden besser, wenn sie mit kochendem j
ira.s\<!cr begossen werden, wie der Friihlingsapfel [Malus vcrna] 1
und die Mgrte. Denn diese bekommt eine Frucht ohne Kern,
wie einige behaupten. Man hat dies zufällig entdeckt, als eine
Mgrte unbeachtet tieben einer Badestube stand. Da sie ohne J
Kerne war, .so saete man die von ihr erhaltenen Samen und so ^
entstand diese Sorte in Athen. < Was ist diese kernlose Myrte? |
Nach der Uebersetzung der Erklärer eine kernlose, oder eine,
die keinen Kern in der Beere besitzt, oder die eine Frucht !
ohne holzige Theile hat. Oder werden die Beeren dieser I
Myrte vielleicht in dem Sinne als kernlos bezeichnet, wie die i
kernlosen Granatäpfel von Ra.ii' 8, nicht weil keine harten, |
sondern nur weil weniger harte Kerne darin sind. Oder soll |
»kernlos« [u;ivQrivov\ nur heissen ohne die Schale der Samen |
oder ohne beides, ohne Schale und Kern? Denn es ist zn
unterscheiden, ob die Beere keinen Kern besitzt oder ob die
Frucht nicht holzig ist.^®) Wenn nun die Myrte durch den
Mangel an beiden kernlos ist, wie kann dann von ihr gesagt
werden, sie sei durch die ausgesäeten Samen fortgeptlanzt
worden, da sie doch einen wahren Samen, ein KeimpHänzchen
nicht enthielt? Vielleicht hat der Ausleger die Stelle; »SiV
k
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
39
nahmen von dieser, die kei'nlos geworden war, und pflanzten
es* falsch verstanden. [rovvov yaq u7ivqi\vov yevo^itvov
/MfißccvovTsg eepVTEVov.) Das Pflanzen {(pvrevEiv) scheint
sich nicht sowohl auf Samen, als vielmehr auf Zweige zu be-
ziehen und ist besser mit > pflanzen < als mit »säen« zu über-
setzen. Denn die Myrte (Theopiir. Hist. pant. lib. 2, cap. 1)
pflanzt sich auch durch das Holz und die Zweige fort. Uebrigens
mögen andere untersuchen, was das kochende, oder vielleicht
richtiger warme, Wasser dabei geholfen hat! Ich gehe über
zu dem Frühlingsapfel, von dem dieselbe Erscheinung berichtet
wird, um sie noch etwas besser aufznklären. C. Bauhinus
erwähnt in seinem Pinax (p. 435, § 3) den Apfel ohne Samen
im Innern der Frucht nach J. Cajieuauius, den nicht blühen-
den, aber Frucht tragenden Apfel nach Gesnek; letzteren mit
Uebergehung des ersteren citirt auch Hermann in seinem
Catalog unter dem Namen; fruchttragender Apfel mit ver-
gänglicher Blüthe nach Catalog. Hort. Reg. Paris. [115]. Auch
Hoemann gedenkt des Apfels, der ohue Blüthe Früchte trägt.
Bauhinus meint, dass der Frühlingsapfel des Theophrabtus,
der eine Frucht ohne Kern trägt, zu dieser Apfelsorte gehört
habe, und fährt fort: nAber die Blüthe ist der Anfang der
Frucht, der Kern der des Baumes. Wer .ncht also nicht, dass
hier das Naturgesetz tviederhoU verletzt worden wt? A)i diese
Aufgabe mögen sich scharfsinnige Geister machen: wir legen
das Hauptgeicicht auf das innere Prineip.* Es scheint also,
dass sein nicht blühender Apfel Samen trage und somit der
einzige Baum sei, der nach Gesner ohne Blüthe und nach
Camerarius ohne Samen ist.^’) Das aber bestätigen Alle,
die diesen Baum gesehen oder gezogen zu haben berichten,
dass er keine Blüthe, keinen Samen besitze, sondern dass die
Aepfel nach Art der Feigen aussprossen. Schliesslich habe
ich selbst gegen Ende April dieses Jahres ein solches Bäum-
chen, das für ein nicht blühendes galt, wiederholt eifrig be-
obachtet und bemerkt , dass die Früchte in ganz ähnlicher
Weise wie bei andern hervorbrechen, Blumenblätter und Staub-
beutel konnte ich aber bisher nicht entdecken. Auf seinem
Stielchen sitzend entfaltet nämlich das junge Aepfelchen an
der Spitze fünf äussere grössere Kelchblätter und ebensoviel
innere kleinere, die Mitte nehmen mehrere aufrechte Fäden
«in, nämlich die Tuben oder Griflfel der Fruchtknoten, die
sonst von den benachbarten Stanbgefässen umgeben und be-
stäubt zu werden pflegen, hier aber derselben gänzlich entbehren.
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40
K. J. Camerarius.
Schon in dieser Zeit war es an dem so kleinen Apfel nicht
schwierig, die Anlagen der Samen zu erkennen als kleine
weisse Körnchen in ihren Fächern; aber diese selbst hatten
sich im folgenden Monat Juli, als die finihzeitigen Früchte
schon ihre Keife erlangt hatten, nicht weiter entwickelt, son-
dern verschrumpften und worden schwarz, so dass die Fächer
im Uebrigen leer blieben, und in ihnen erschienen keine
KeimpHänzchen ; es fehlt also wiederum beides zugleich: die
Staubbeutel und die Samen. Folglich bedeutet der Ausdruck
Fruchttragen hier so viel als: der nicht blühende Kaum trägt
eine Frucht, nämlich das essbare Fleisch des Apfels; in Wahr-
heit aber trägt er keine Frucht, w'eil er keinen Samen trägt,
und so ist der Kaum ungeachtet der Menge der Früchte un-
fruchtbar. Offenbar sind diese Aepfel eben solche Früchte
wie die von mir erwähnten Keeren des Maulbeerbaums [Morus\
u. a., Windeier, wenn sie auch viel Fleisch haben, doch unfrucht-
bar, weil sie des Keimes ermangeln. Das »innere Princip«
also, das Kauhixus w'ohl aus dem Tueopurastus entnommen
hat und mit dessen Veränderung auch das üebrige und die
ganzen Verhältnisse der natürlichen Entwickelung sich ver-
ändern müssen, wird entweder das Keimpfläiizchen sein, ohne
das keine PHauze durch den Samen fortgepflanzt werden
kann, oder der Staub der Staubbeutel, ohne den kein Keim
im Ei entsteht. Da nun dieser Apfelbaum gegen die Ordnung
der Natur der Staubbeutel entbehrt und nicht wie andere ge-
schlechtlich unterschiedene Pflanzen ihm von der Natur zu-
ertheilte männliche Organe besitzt, so wäre es freilich nicht
wunderbar, wenn vielleicht die Staubbeutel nicht immer gänz-
lich unterdrückt und ausgeschlossen werden könnten, sondern
hie und da ein Theil derselben auftauchte und so unter so
vielen tauben die eine oder andere Klüthe fruchtbar machte:
jedenfalls sind mir in so vielen von mir durchschnittenen
Aepfeln nur drei fruchtbare oder mit Keimpflänzchen ver-
sehene Samen vorgekommen, während die grosse Zahl der
Uebrigen taub war. Was mag die Ursache sein, dass dieser
Kaum weder Staubbeutel noch Klumenblätter erzeugen kann?
Auch bleibt mir hier noch etwas dunkel, insofern als ich bis-
her nicht ermitteln konnte, wie er zuerst entstanden ist oder
auf welche Weise ein solcher Kaum hervorgebracht wird.
Von diesen kernlosen Aepfeln komme ich weiter auf die
Weinbeeren ohne Kerne des Theopheast; einer solchen Reb-
sorte gedenkt er nämlich mehrmals in verschiedenen Kapiteln
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
41
seines Buches: De causis plautarum, lib. 111 und V. Auch
die Methode erwähnt er, indem er sagt: *Man macht Trauben,
die ohne Kerne sind, indem man das Mark des Behschosses
entfernt, durch welches der Kern erzeugt wird.* Da ich hierin
keine eigene Erfahrung halie, so führe ich die des Scäligek
au. In seinem Commentar sagt er: * Merkwürdig, dass dieser
Gelehrte keüien Versuch gemacht luit, wenn er über die Sache
schreiben wollte. Uns ist sie genugsam bekamit: In unserm
Garten haben wir Rehen mit keriilosen Beeren, aber dieselben
entbehren nicht des Markes, uär haben sic aus Turin be.zogen,
die Beerchen sind klein, man nennt sic Korinthen. In den
Büchern über die indisehen Reisen steht, dass an einigen Orten
im Orient solche mit sehr grossen Beeren ohne Holz Vorkommen.
In diesem Jahre, welches sehr feucht gewesen ist, haljen wir aus
unserem Weinberg von anthosmischeiU^) Reben, die von Laien
gewülüdich Muskateller genannt werden, noch bei der gestrigen
Mahlzeit Trauben und Beeren von gewöhnlicher Grösse gepßückt,
aber ohne Kerne in letzteren, während im vorigen Jahre, das
sehr heiss war und in dem kein Komet und keine Nebensonne
erschien, die Beeren je drei sehr grosse und sehr harte Kerne
enthielten. Deswegen meinte er [Theophrastus] seinem Grund-
satz gemäss, da er diese Naturerscheinung nicht durch Versuche
geprüft hatte, sein Urtheil aufschieben zu müssen, und fügt hinzu:
Das ist nun noch weiter zu tmtcrsuchen.* Aber an einer
anderen Stelle sagt er [Scalk4Eb] über das Ilerausnehmen des
ganzen Markes: *Äls wir diese Operation gemacht hatten, war
nicht nur die Mühe, sondern auch die liebe selb.d verloren.*
Ob auch hier, wie beim Frühlingsapfel, die Blüthe der Staub-
gefässe entbehrt, wage ich nicht bestimmt zu sagen. Es
könnten aber ausserdem hier noch angeführt werden die stein-
losen Früchte der Kirsche [Ora««], die Berberitzen [Berberis]
ohne Kerne , die schon erwähnte eigenthümliche Sorte des
Granatapfels [Punica], die auch keinen Samen in den Früchten
haben soll u. a. , aber sie sind zu ungenau beschrieben und
mir ist es nicht möglich alles zu erklären. Ra.ius nennt der-
artige Pflanzen monströse oder entartete Sorten, die durch ein
Katurspiel entstanden seien. Ich müsste mich aber sehr-
irren, wenn sie nicht besser erklärt würden nach meiner eige-
nen Auffassung, nämlich durch die bisher erörterten geschlecht-
lichen Beziehungen der Pflanzen.
Nachdem wir also die Uebereinstimmung in der Fortpflan-
zungsweise bei Pflanzen und Thiercu so weit nachgewiesen
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42
K. J. Camerarins.
haben, dürfen wir wohl mit Bohnius'-'®) sagen, dass die Zeu-
gung bei den Lebendiggebärenden und bei den Eierlegenden
und, fügen wir hinzu, die Empfängniss der Pflanzen sich so
ähnlich sind, wie ein Ei dem anderen, wobei er sein Augen-
merk natürlich mehr auf die wesentlichen Principien der Zeu-
gung, als auf die nebensächlichen Unterschiede in der Art,
sie zu vollziehen und zu gebären, richtete. Jedenfalls sehen
mir mit Freude, wie allmählich uud nach und nach der Be-
griff der Zeugung für beide Reiche in übereinstimmender Weise
aufgefasst und genau umschrieben zu werden anfängt (zwar
pflegte man ihn auf alle lebenden Wesen gemeinsam anzu-
wenden, aber durch die verschiedene Auslegung auf der einen
und auf der anderen Seite in der That zu verwerfen). Zuerst
hat Joseph au Ahomatakiis®*) die von Aristoteles ange-
nommene Anlage des Thieres im Ei, die der Pflanze im Samen
wirklich, d. h. sichtbarlich nachgewiesen und dem berühmten
Forscher Harvey dargelegt. Die Eierstöcke der Weibchen
hat Steno®'') mit seinen Collegen kennen gelehrt; für den
Keim der Pflanzen mit dem ganzen Empfängnissapparat hat es
Malpighi gethan; den Pflanzen uud Thieren haben ganz all-
gemein Eier und Samen zuerst zugeschrieben Swammerdam,
Maleuranche, Peier ®®), eine Zusammenfassung der zerstreuten
Principien haben Fabri, Perraux^t, Stur.m®^) gegeben, was noch
fehlt, das Vorhandensein des männlichen Samens nachzuweisen,
ei’gänzt Grew®®), und nach dieser Auffindung macht er den
vielen ungleichartigen Bezeichnungen derselben Sache bei den
Botanikern ein Ende, vieles, was die Alten überliefert haben,
erklärt und bestätigt er.
Nicht mit Unrecht dürfte also vielleicht seinerzeit Jungius
den Botanikern voi’gewoi’fen haben®®), dass jeder die Bezeich-
nung männlich und weiblich nach Willkür zu gebrauchen
scheine; jetzt jedoch stehen uns hinlänglich deutliche Zeichen
zu Gebote, um das Geschlecht der Pflanzen zu unterscheiden,
und es ist eine Regel festgesetzt, die, um mit Morison zu
reden®'), die Hirngespinnste jener oflenbart. Dass diese Regel
der Neuzeit und des Alterthums auch schon damals von an-
deren befolgt wurde, lässt sich aus dem ^\justoteleö uud
Theophrast entnehmen: der letztere nämlich bezeichnet nicht
nur ausdrücklich die blühende Palme als männlich, die frucht-
tragende als weiblich, ja nimmt diese Bezeichnung als von
früheren Botanikern überliefert au, sondern erwähnt den bei
den Bäumen deutlichen (zo/po; pflegt er zu sagen, was die
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
43
Ausleger mit publicus wiedergegeben haben) Unterschied mehr-
mals, durch den Männchen und Weibchen sich auszeichnen,
und bestimmt ihn nach der Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit;
der erstere sagt (de generat. lib. b, cap. 5) -»bei den Pflanxen
trägt die eine, Früchte, die andere nicht, teie Oelbaum und vnlder
Oetbaum^^), Feige und rcilder Feigenbaum. Ebenso erkennt er
an, dass Bäume derselben Art verschieden seien, indem die
einen Frucht tragen, die andern nicht, aber den fruchttragenden
zur Reife verhelfen, wie ein solches Verhältniss zwischen Feige
und wildem Feigenbaum besteht (De gen. lib. I, cap. I). Das
Beispiel der Palme blieb ihm nicht verborgen, wenigstens
wenn er der Verfasser des ihm zugeschriebenen Buches de
plantis ist; er wirft nämlich die Frage auf, ob bei den Pflanzen
männliches und weibliches Geschlecht gefunden werde, oder
ob die Art ans diesen beiden Geschlechtern zusammengesetzt
sei, wie Empedocles annahm, in Uebereinstimmung mit Theo-
P1IRA8TU8 : *Bei den Palment, sagt er [Ari 8 totele 8 ], »reifen
die Früchte schncü und werden vor dem Abfallen bewahrt, wenn
die Blätter oder der Staub der Blätter (Blüthen) oder die Rimle
der iruinidichen Pflanxe auf die weibliche Palme gebracht wird,
■<o dass sie xusammetdiängen, u. s. w. Wenn nun vielleicht von
der Aushauchung der mämdichen Pflanze der Whul etwas zu
der weiblichen trägt, so würden auch dann ihre Früchte reifen,
rbciuso, wie wenn die Blätter (der Blüthenspross oder die Blüthen-
scheide [elate sive spatha]) der mämdichen auf diese gehängt
würden.* Aehnliches bringt Salmashis aus seinem Pi.iNirs
vor. Wenn ein männlicher Baum zwischen mehreren weib-
lichen steht, so befruchtet er die nahestehenden zwar schon
durch die Berührung, die entfernteren aber dnreh den Hauch
und seine Erscheinung [visu] und auch durch den Staub selbst;
Jene neigen sich mit der Krone kosend nach dem Männ-
chen hin u. s. w. »So wird der Gesehlechtstrieb aufgefasst,
dass die Menschen sich sogar eine Befruchtmig ausgedacht haben
bei der Blüthe und dm wolligen Fäden (Staubfäden) der männ-
lichen Pflanxe, bisweilen aber nur bei dem Staub (Pollenstaub),
der die weiblichen Pflanxen bcstäidd* (Peinius, Hist, animal,
lib. 13, cap. 4). Und so ist bei der Palme der männliche
Baum, welcher blüht, nicht fruchttragend, der weibliche ohne
Blüthe fruchttragend [y.aQwmpÖQog oder flabavr](p6Qog], aber
wenn der männliche Baum gefällt wird, wird jener zur Wittwe
und danach unfruchtbar.
Es fehlt nicht, ich gebe es zu, an Aussprüchen von Seiten
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R. J. Camerarius.
dieser beiden berühmten Schriftsteller, die dem Gesagten zu
widersprechen scheinen. Akistoteles erkennt au einer an-
deren Stelle für die Pflanzen an, dass sie gebären und zeugen,
bestreitet aber das Vorhandensein eines mäiinliehen, befruch-
tenden Elementes {ro oxemv) (Hist. anim. lib. 4, cap. ll)“'*“].
Von Empedocles verlangt er, dass er ihm erst die Geschlechter
getrennt zeige, bevor er ihm ihre Vereinigung zugeben könne
(lib. de plantis). Dem Beispiele der Palme hält er die Gra-
naten [Punica] entgegen, die ebenso den Oelbäumen [Oka]
zuträglich seien, wenn sie mit ihnen zusammengepflanzt würden.
Aber beiden Forderungen genügen die erwähnten männlichen
Pflanzen, welche das Weibchen bestäuben und in ihm zeugen;
Avas den di-itten Punkt betrifl't, so handelt es sich um ein
ganz anderes und verschiedenes Verhältniss bei den l’flanzen,
die sich in Folge von Beschattung oder Düften oder Ernäh-
rung u. 8. w. gegenseitig fördern, wenn sie zusammengepflanzt
werden, als bei denen, die sich beim Fortpflanzungsgeschäft
unterstützen, wie Männchen und Weibchen.
Auch Theophrastus scheint das früher Gesagte vergessen
zu ha))en, wenn er die männliche und weibliche Tanne [Aiics],
Kiefer [Pf/Mw] und mehrere andere unrichtig citirt und zur
Unterscheidung die wiederum »deutliche« Verschiedenheit in
der Weichheit des Holzes findet, wobei das Männchen dem
Weibchen nachsteht'“*); hierin hatte er freilich viele Nach-
folger, obwohl die Botaniker immer noch nicht darüber einig
geworden sind, ob der Baum, den die Neueren Fichte [Picca\
nennen, die männliche oder weibliche Pflanze des Theopheast
gewesen sei. In seinen weiteren Untersuchungen über das
Geschlecht sagt er (lib. 3, cap. 6), dass einige männliche Pflanzen
reichlich, andere gar nicht blühen und dagegen bei noch anderen
nur die männlichen Frucht tragen, indem er die ziemlich un-
wahrscheinliche Angabe hinzufügt: »die Bäume entstellen aus
Blüthen (wohl dem Pollenstaub der Kätzchen), sowie aus den
Früchten detjenigen, welche Früchte erzeugen können, tmd bis-
weilen entstehen sie so reichlich auf beiderlei Weise, dass uixni
sich kaum einen Weg hindurch bahnen kann.t Die bessere Frucht ,
meint er schliesslich, Averde von der weiblichen Pflanze geliefert,
Avenn beide, die männliche und weibliche, fruchthagend sind,
Avenn man jene nicht vielleicht lieber die männliche nennen
Avolle.'*') Wie dem auch sei, diese späteren Aussprüche Averden
die früheren, so klaren nicht beeinträchtigen, besonders da mau
allgemein über die traurige Verstümmelung der Handschriften
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
45
des Tiieophkast zu klagen pflegt, woraus sich vielleicht diese
zuletzt citii'ten Sätze erklären lassen. (Kürzlich habe ich er-
faliren, dass eine neue von C. Hofmaxx hinterlassene Ueber-
setzung mit vielen Anmerkungen dem Schwiegersohn unseres
jüngst verstorbenen Vorsitzenden Volkamek, Tuoälasius
überlassen worden sei, und so wird, hoffe ich, das Manuscript,
das wegen seines Verfassers und seines Auslegers eines besse-
ren Schicksales würdig ist, einen Herausgeber finden.) Am
meisten aber wundere ich mich über Folgendes: nachdem er
(de causis, lib. 2, cap. 13) vortrefilich und ganz in unserem
Sinne über die Palme gesprochen hat, verhandelt er bald
darauf im folgenden Capitel die Umstände, aus denen bei ver-
wandten Pflanzen die einen steril, die anderen fruchttragend
sind [u/.aQJta und yMonifta], von denen diese als weibliche,
jene als männliche bezeichnet würden, und will den Grund
der Unfruchtbarkeit aus der reichlicheren Ernährung des ganzen
Pflanzenkörpers ableiten: gleichwie aus demselben Grunde der
Hahn keine Eier legt. Weniger wichtig ist vielleicht der
Einwand, wenn er, wie auch Kajus bemerkt, beide Palmen,
die männliche wie die weibliche, zu fruchttragenden zu machen
scheint, wenn er nämlich schreibt (Hist. lib. 2, cap. 8) : » Von
(kn Palmen kt die eine Art fruchttragend, die andere unfrucht-
bar; von den fruchttragenden situl die einen männlich, die
anderen weiblich.* Denn oft genug spricht er eine andere
Ansicht aus und er wird sich hoftentlich doch nicht selbst
widersprechen. Vielleicht werden gewisse Palmen, die wegen
des ungünstigen Standortes weder zur Blüthe noch zur Frucht
kommen, für steril ausgegeben, andere aber, die anderswo
Blüthe und Frucht tragen, beide selbst fruchttragend genannt.
Was übrigens die Verschiedenheit betrifft, wonach die männ-
liche Pflanze härter und trockener als die weibliche sein soll,
so lege ich auf sie, als eine nebensächliche, hier nicht mehr
Werth, als auf die verschiedenen Temperamente des Mannes
und des Weibes : die Männchen aber ferner blühen alle, wäh-
rend sie nirgends, in beiden Reichen, eine Frucht bringen;
doch aus ihrem Staub oder ihrer Blüthe, wenn er auf einen
anderen Ort als auf den Eibehälter des Weibchens gestreut
wird, entsteht niemals eine Pflanze, wie auch kein Junges aus
dem entleerten Zeugungsstoff der Thiere entsteht, wenn er
nicht ein Ei trifl't. Aus allem bisher Dargelegten geht also
hei'vor, dass es bei dem mit Testikeln versehenen Bingelkraut
[Alercurialk] , Avelches die Botaniker bald als Männchen, bald
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R. J. Camerarina.
als Weibchen bezeichnen, nicht auf die noch so gi'osse äussere
Aehnlichkeit der beiden Knöllchen mit den Testikeln der Männ-
chen ankomme ; denn es sind Früchte und sie ernähren einen
Keim im Innern, was eben nur dem Weibchen zukommt. Der-
selbe Grund gilt für das wilde Bingelki-aut[J/c)-«<n«fe
das die Alten in arrenogonum und thelygonum, als ein solches,
das Knaben [mariparnm] und ein solches, das Mädchen [femini-
parum ■ geboren werden lässt, unterschieden haben worüber
Salmasius, an dieser Unverständlichkeit Anstoss nehmend,
sagt: *Die alten Pflanxenkundigen haben ivirklieh viek Vef'wir-
nnnj angerühtct und sind weder in dem Ausdruck constant noch
schreiben sie das Gleiche; über ihre Nachlässigkeit hierin und
in anderen Dingen habe ich mich oft gewundert.* Deutlich
setzt MaoxoiA***) die Natur jener Pflanzen auseinander, ändert
aber nur die Namen : Beule Senden von Bingelkraut (die er als
solche mit Aehren und solche mit Testikeln bezeichnet) ent-
stehen aus dem Satne7i des Männchens, dentt das Weibchen ist
die unfruchtbare Sorte, das bisher richtiger als fruchtbar ge-
golten hatte. Vielleicht aber ist die Bedeutung dieser Namen
dieselbe wie bei dem sogenannten Knabenkraut [aataegonoji'' ,
das, wie Salmasii’s meint, seinen Namen von der Eigen-
schaft erhalten hat, die es heim Gebären besitzt: denn es be-
wirkt, dass die Frau, die davon getrunken hat, einen Knaben
gebiert. Wenn wir ihm glauben dürfen, giebt dies Plixius
an.'"*) Alle anderen Pflanzen, die man als männlich und
weiblich zu unterscheiden pflegt, sind dadurch, dass sie l)eides
tragen, sowohl Blüthen als auch Samen, nicht den geschlecht-
lich verschiedenen, sondern den Zwitteni zuzurechnen: z. B.
die Päonie [Pacotiia], der Ehrenpreis [Veronica], der Gauch-
heil [Anagallis], die Stabwurz [Artemisia^ , die Cornelkirsche
( C'or?»«.«] u. s. w. '"6) Bisher wird auch ohne Begründung der
Farn [F’jfe] männlich und weiblich genannt. LaurenujekgI"')
bemerkt, dass die Pfirsiche, deren Fleisch sich von den Steinen
loslöst, für die Früchte des weiblichen Pfirsichbaumes gehalten
werden, bei denen es fest anhaftet, für die des männlichen.
Bei den Quitten würden die länglichen Früchte den männ-
lichen , die runden den weiblichen Pflanzen zugeschrieben ;
auch ein gelbliches Fruchtfleisch würde von den Franzosen
als Zeichen der männlichen, ein rein weisses als eines der
weiblichen Pflanze angesehen. So darf man zwar mit dem
Volke sich ausdrttcken, aber denken muss man mit den Ge-
lehrten.
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lieber das Geschlecht der Pflanzen.
47
Aber -«"ohiu lasse ich mich fortreissen ! Es scheint, als
Vergüsse ich meine in der Einleitung festgesetzte Aufgabe und
schriebe verwegener darauf los, als recht ist. So pflegt freilich
der Geist sich bei dem aufzuhalten, was ihm zusagt, und nur
ungern sich znr Betrachtung dessen lenken zu lassen, was der
liebgewordenen Meinung entgegensteht, wenn er ganz darauf
ausgeht, dieselbe annehmbar zu machen. Deshalb rüste ich
mich zu dem zweiten Theil meiner Aufgabe, die Zweifel, die
mir bei der Ueberlegung des oben Gesagten aufgestossen sind,
darzulegen. Aber ferne sei es von mir, dass ich Dir, o
Thessalüs, durch einen weitschweifigen Brief neue Last
machen will, ich will es unterlassen, die Verdachts- und Gegeu-
grttnde, die alle gegen die Geschlechtlichkeit aufgebraeht werden
können, zu sammeln; wie ich durch das Studium der Lebens-
erscheinungen der Pflanzen und durch Beobachtungen mich
habe dazu bringen lassen, für das Geschlecht der Pflanzen zu
schreiben, so will ich keine anderen Bedenken hier zur Sprache
bringen, als besonders zwei, die sich auf die Erfahrung be-
ziehen, aber um so schwieriger zu beseitigen sind.
Erstens giebt es Pflanzen, die Staubbeutel besitzen und
zwar reichlich, aber keine Samen. Nun aber scheint es nicht
glaublich, dass bei einer Pflanzenart die Weibchen fehlen:
denn dann wären die Männchen, wenn auch noch so zahlreich,
umsonst da, und die Natur würde ihren Endzweck, nämlich
die Fortpflanzung, nicht erreichen. Der Bärlapp [Ltjcopodiui)i\
oder das keulentragende Erdmoos [L. elamtuni\ trägt Kätzchen-
bliithen, die Pollen liefern, wie ich oben schon bemerkt habe:
der Schachtelhalm [Eqnisduni\ schliesst seine Sprosse, wann
sie wie Spargel aus der Erde kommen, mit einem keulen-
förmigen Köpfchen ab, das voll Staubbeutel ist und vollkom-
men den Kätzchen der Waldbänme gleicht. Der Staub, mit
dem diese beiden Gebilde angefiillt sind, besteht aus einer
Menge von Kügelchen und wird in üblicher Weise in die Lnft
verweht: der erstere wird in den Apotheken gebraucht und
Bärlappsamen genannt. liier ist also der männliche Samen
reichlich vorhanden, aber es entspricht ihm kein weibliches
Geschlecht, es fehlen die Griffel, die Samenbehälter, die Samen,
denn dass der Schachtelhalm oder Bärlapp mit diesem Staub
ausgesäet werden könne, möchte ich wenigstens nicht glauben.
Ich gebe zu, beide Gattungen gehören zur Klasse jener Pflanzen,
die man unvollkommene nennt, die wir früher vorläufig von
unserer Betrachtung ausgeschlossen haben, als solche, die keine
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48
R. J. Camerariu8.
oder nur nndeutliclie Hlilthen nnd Samen besitzen und deren
Ursprung und Vermehrung deshalb noch ziemlich dunkel ist.
Jedoch lässt unsere Ansicht nur schwer zu, dass eine solche
Menge liefruchtenden Stoflfes umsonst ausgestreut werde.
C. UArnix erwähnt einen gewissen Schachtelhalm mit vielen
Samen, bei dem mehrere Körner an den Knoten der Stengel-
glieder angew'achsen sind''’'*), aber ich wage nicht zu ent-
scheiden, was das für Körner sind, Gallen oder wirkliche
Samen, da mir dieselben niemals vorgekommen sind, obgleich
ich danach gesucht habe, und da von den Botanikern viele
sich nicht sowohl auf das, was sie selbst, als .auf das, was
andere gesehen haben, beziehen und es wieder anführen.
Zweitens glaube ich beobachtet zu haben, dass weibliche
Pflanzen Früchte tragen, ohne den männlichen Samen be.an-
spmcht zu haben. Dies ist das andere, was nicht zu meiner
Ansicht passt. Beim türkischen Weizen [Zea] waren die zwei
angeführten Aehren gänzlich ohne fnichtbare Körner geblieben,
wie oben erwähnt: jedoch die dritte Aehre, aber die erste der
Entstehung nach, timg elf fruchtbare Samen, die mit ihrem
Keimpflänzchen, wie es in dieser Klasse die Regel ist, aus-
gestattet w'aren, und somit durchbricht sie das Gesetz von der
absoluten Kothwendigkeit des männlichen Pollens, in directem
Gegensätze zu der diesem zugeschriebenen Aufgabe. Damit
ich übrigens nichts verschweige, so war auch in dieser Aehre
der grössere Theil der Kölner taub und von der Art der
Windeier; jedoch jene elf, die mit ihren Keimen versehen
sind, verlangen einen Vater und fordern eine Bezeichnung
dessen, was sie befruchtet hat. Ich würde mir darauf selbst
die Antw'ort gegeben haben, dass die Staubbeutel nicht sorg-
fältig entfernt gewesen seien und die wenigen übrigen auch
genügt hätten zur Befruchtung von nur wenigen Körnern,
wenn ich nicht der Ueberzeugung wäre, dass ich sie selbst
vorsichtig und gänzlich entfernt und dasselbe zweimal beob-
achtet habe. Andere verw^andte, in der Nähe blühende, konnte
ich nicht verantwortlich machen, denn ich hatte den zur
Beobachtung bestimmten Stock weit von seinen Genossen ent-
fernt gepflanzt.
Endlich habe ich geglaubt, nachdem das Bingelkraut Til/cr-
eun>//is] und der Spinat so ausgezeichnet zum be-
weise für das Geschlecht der Pflanzen gedient haben , auch
iinen Versuch mit dem weiblichen Hanf [Cr/miabü] in ähn-
icher Weise anstellen zu sollen, indem ich ihn dem Zuthnii
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
49
des mitnnlichen entziige. Dennoeli aber entdeckte ich hei drei
jungen Pflanzen, die ich aus dem Feld in den Garten verpflanzt
und, da sie bei den ersten Anzeichen als weibliche erkannt
wurden, sorgfiiltig gepflegt hatte, dass sie, obgleich sie sich
keiner Blfithe eines benachbarten Männchens ihrer Art erfreuen
konnten, zu ihrer Zeit mit sehr vielen fruchtbaren Körnern ver-
sehen w'aren, und habe mich, ich gestehe es, recht daritber
geärgert; denn dass diese Pflanze das Gegentheil von ihren
Genossen thun w'firde, vermuthete ich keineswegs. Ich suchte
also den Grund darin, dass jene Pflanze zu spät aus dem
Felde der blflhendcn, von denen vielleicht schon einige vor-
zeitige ihren Illüthenstaub ausgestreut hatten, entfernt worden
sei, oder dass in dem Garten Pflanzen anderer Art, die in
Menge blühten, die befruchtungsbedürftigen -weiblichen Hanf-
pflanzen (die stark und freudig herangewachsen waren) bestäubt
hätten, wie ja Kiemand daran zweifelt, dass im Thierreiche
ein AVeibchen von dem Männchen einer verschiedenen Art
befruchtet werden könne: jedoch, wie das Sprüchwort sagt,
in Afrika giebt es immer etwas Neues. (Neu ist auch hier
die schwierige Frage, ob eine weibliche Pflanze von der männ-
lichen einer verschiedenen Art befruchtet werden kann, der
w'eibliche Hanf [Cammhis] von dem männlichen Hopfen [Hu-
mulus], der Ricinus, dem man die kugeligen Staubbeutelblttthen
genommen hat, durch die Bestäubung mit dem Blüthenstaub
des türkischen Weizens [Zen.? u. s. w. , ob und in wie weit
verändert ein Keim daraus entsteht). Deswegen beschloss ich
die Körner des Hanfes noch einmal zu säen und das Gefäss
ganz aus dem Bereich der anderen Pflanzen an einen ge-
sonderten Ort zu stellen, und wiederholte unter diesen Umständen
das Experiment im nächsten Sommer und siehe da, der Zufall
wollte, dass ich drei w'eibliche und eben so viele männliche
Pflanzen erhielt; nachdem ich die letzteren abgeschnitten hatte,
als sie zw'ar schon eine gewisse Grösse erreicht (denn leider
war ich abw^esend), aber die Staubbeutel noch nicht entwickelt
hatten, wartete ich also begierig auf das Schicksal der anderen.
Wie ich es auch im Jahr vorher beobachtet hatte, erschien
zwar bei einzelnen eine ungeheure Menge von tauben Samen
oder leeren Samenbläschen ohne Keimpflänzchen; jedoch w\aren
auch ausgebildete Samen in nicht geringer Zahl vorhanden,
und solche waren besonders die, w'elchc dem Stengel zunächst
sassen und die ersten in der Entwickelung waren, während die
tlbrigen später entstehenden häufiger leer und taub waren.
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50
R. J. Camerarius.
Was also nun, wenn mich das trügerische Experiment so
im Stiche lässt? Freilich wird es dadurch schwieriger, sich
ein Urtheil zu bilden, und das Wort Boyle’s '•”•) bestätigt sich,
was er bei Gelegenheit der Versuche, die nicht gelingen oder
doch einen anderen Ausgang als den gewünschten nehmen,
gesagt hat; » Versuche, durch die man theorethche oder praktische
Annahmen %u hcgriindcn wünscht, müssen mit der grössten lor-
sicht und wiederhole nüich angestellt werden, und auf die, welche
nur einmal gelungen sind, darf man sich nicht xu sehr ver-
lassen. € Es ist aber kein Grund, den Muth sinken zu lassen,
wenn auch gewisse Versuche unserem Wunsche immer nicht
entsprochen haben, indem uns ja jener riiilosoph daran er-
innert, dass wir noch mehr Genossen dieses Missgeschickes
haben. Deswegen habe ich im Geiste schon neue für den
kommenden Sommer, wenn uns Gott ihn schenkt, geplant und
lasse mich nicht von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen ab-
bringen, die ja die Natur selbst anzudeuten schien und für die
der grössere Theil meiner Beobachtungen ins Feld geführt werden
kann. Uebrigens klammere ich mich nicht an diese Ansicht,
wie ein vom Sturm Verschlagener an einen Felsen: für die
Wahrheit meiner Ansicht werden sich noch zwingendere Gründe
finden. Aber mit der umsichtigsten und eifrigsten Akribie
werde ich die etwa vorhandenen, vielleicht noch verborgenen
Irrthümer meiner früheren Beobachtungen zu vermeiden streben
oder die Vermnthung zu bestärken trachten, die ich bei An-
wendung des Mikroskops geschöpft habe, wie die Schwierigkeit
zu beseitigen sei, die sich aus der Fruchtbarkeit des Hanfes
ergiebt. Dir aber, mein verehrtester Gönner und College, wird
der Brief, den ich Dir gewidmet habe, auch so zur Beurtheilung
vorgelegt. Um so weniger trage ich Bedenken, den Genossen
im Studium und den Mituntersucher der Wahrheit dazu ein-
zuladen, je mehr ja den Natnrfoi-scher die Art und Weise seiner
Beschäftigung dazu verpflichtet. Du wollest das, was ich grössten-
theils unter den Wirren des Krieges und den unglücklichen
Verhältnissen unseres Vaterlandes geschrieben habe, für recht
und billig erachten, das Wahre, was Du etwa darin findest,
zu vollkommenem Ausdruck bringen, das Falsche verbessern;
ermahnt und belehrt zu werden, wird mir das Zeichen Deiner
Gunst sein. Die göttliche Gnade beschirme Dich, lass es Dir
recht wohl gehen und es Dir gelingen, den Glanz der Academie
und das Gedeihen der Naturwissenschaft zu fördern.
Tübingen. In meinem Museum, den25.Aug. des Jahres 1694.
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
51
A. A.
Ode.
w — — —
— V> — v«/j
Es künde mein Gesang euch ein neues Keich
Der Liebe, neue Freuden, Begierden, fremd
Und unbekannt — der Pflanzen heimlich
Feuer und wundersam Liebessehnen.
Schenkt eure Gunst mir all’, die mit kuiid’ger Hand
Horazens Laute schlaget zu hehrem Klang;
Jetzt fordert euren Beistand Flora,
Möge dies Lied eines Dichters werth sein.
Ihr Liebenden jedoch und ihr Heerden dort
Der Thiere, sprecht für mich übereinstimmend
In zücht’ger Ked’ und zeigt durch euer
Wesen, dass Wahrheit allein ich künde.
Im Frühlingswehn entfaltet die Blüthe sich.
Setzt an für künft’gen Samen die Staubgefäss’
Verschiedenes Geschlecht vermählend;
Bis sich dann spalten die Pollensäcke
Und platzend ihren gelblichen Pollenstaub
Nach allen Seiten streuen wie zartes Mehl,
Und günst’ger Wind die feinen Stäubchen
Ueberallhin in die Weite führet.
Dies soll der Liquor männlichen Samens sein.
Der durchgeseihte, reinere Theil des Safts,
Er deckt des nachbarlichen Griffels
Oeflfnung und hängt auf der zarten Narbe
Ostwald's Klassiker. 105. 5
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52
K. J. Camerarius.
In reicher Fülle, netzend die Glieder so
Des Weibchens, so nun hat die Vermählung statt,
Zwar unverhüllt, doch diese Liebe
Wird nicht die Pflanzen der Scham berauben.
Lass hierher bringen lieblicher Rosen Zier,
Die rasch verblüh’n und Lilien: sieh nur wie
Vom Pollensack des Männchens Samen
Dringt in des Fruchtknotens Leibeshöhle,
Sein Ziel verfolgend, da ja der gröss’re Theil
Der Pflanzen zwittrig ist und sie selbst sich frei’n.
Indem die Theile sie entwickeln
Beider Geschlechter in einer Blüthe.
Auf in den Wald, zu schauen, wie sonderbar
Der Bäume Blüthen sind, wie hier zapfengleich
Die Kätzchen schwellend niederhangen.
Streuend umher einen Schwefelregen:
Denn männlich ist die Fichte da, wo sie blüht.
Doch weiblich, wo vom Zapfen die erste Spur
Sich zeigt; der Baum so wechselweise
Giebt und empfängt mit verschiednen Gliedern.
So, eng verbunden, paaret die Schnecke sich.
Sie liefert Samen und sie empfängt ihn auch.
Da diese Thiere in sich bergen
Männlich’ und weibliches Glied vereinigt.
Nicht so die edle Palme, der räuchernde
Wachholder, noch der duftende Lorbeerbaum:
0 Wunder, welche Blüthen tragen,
Mangeln der Früchte, und welche fruchten.
Die blühen niemals, aber in ihrer Form
Zu einer Art ergänzen die beiden sich;
So unterscheiden dem Geschlecht nach
Auch sich die Thiere und auch die Menschen.
Was willst Du mehr? Doch zweifelst Du noch, so sieh:
Des Hopfens Schlinggewächs, allen Trinkern wohl
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Ueber das Geschlecht der Pflanzen.
53
Bekannt, und der Spinat, in Küchen
Oftmals gebraucht, und der Hanf, von Bauern
Gepflückt, der zweigeschlechtliche, riechende,
Diis Kraut, das des Mercurius Namen trägt —
Sie lehren, dass von einer Mutter
Männlich’ und weibliche Kinder stammen.
So wie, wenn die Empfängniss vollzogen ist,
Die harte Schale deckt eines Hühnchens Keim,
Wenn nur die Eier in der Henne
Vorher belebte des Hahnes Samen —
Dagegen, wenn sie zeugte als Jungfrau und
Als Wittwe, leer die Eier und windig sind,
Und keine Hoffnung ist auf Junge,
Wenn sie auch Flüssigkeit gänzlich ausfullt:
Und wie den Fisch die Hülle der Eier nicht
Noch auch die rasche Welle verhindern kann,
Wenn er den Laich, den ihm das Weibchen
Legt, mit dem Samen beleben möchte;
So gehts mit vielen Pflanzen, bei denen die
Fruchtknoten erst entstehen, die dann berührt
Vom Blüthenstaub anschwellen, und im
Innern den Keim einer Pflanze bergen.
Denn es entspriessen beide Geschlechter dort
An einer Stell’ und nah ist das Weibchen, wenn
Der Wind des Männchens zarten Samen
Fortweht wie Bauch und ihn ringsum ausstreut.
Doch nimm die Blüthe oder den Griffel weg.
Entzieh’ der keuschen Jungfrau des Mannes Kraft,
So hast die Pflanze Du verschnitten.
Hast so verhindert der Samen Bildung.
Dann sind die Samen leer nur und ohn’ Erfolg
Müht sich das Weibchen ab und erreichet nichts;
Was hilft nun die gefüllte Blüthe?
Früchte nicht bringt sie und keinen Nachwuchs.
5 *
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54 R- J- Camerarius. Heber das Geschlecht der Pflanzen.
Bestätigt seh’n wir jetzt mit Verwunderung
Für Thier’ und Pflanzen gleiche Geschlechtlichkeit!
Was lebt, was Nachkommen hervorbringt,
Alles entsteht auf dieselbe Weise.
0 mächt’ge Kraft des Geistes, die Uu entdeckt
Zuerst so Grosses, was durch Jahrhunderte
Verborgen war; wer der Natur sich
Weihte, ihn möge Dein Kuhm begeistern!
0 hehre Allmacht, die Du die Welt erschufst.
Du sorgst die Ordnung, welche Du eingesetzt.
In der Natur stets zu erhalten.
Liebst zu verjüngen die alte Schöpfung.
f. A. E.
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Anmerkungen.
Zur Abfassung dieser Anmerkungen ist mir die Reich-
haltigkeit der SiCNCKENBEHG’schen Bibliothek zu Frankfurt a. M.
an älteren naturhistorischen Autoren sehr zu Statten gekommen,
so dass ich die meisten der von Camekarius citirten Werke
selbst nachzuschlagen im Stande gewesen bin.
1) Gemeint ist Professor Michael Bernhard Valentini
in Giessen, der in der Academia Naturae Curiosorum den
Namen Thessalus führte (conf. Einleitung).
2) Nehemiä Grew, The Anatomy of Plants etc. London
1682, Anatomy, Book IV (p. 172) § 8; That the same Plant
is both Male and Female, may the rather be believed, in
that Snails, and some other Animais, are such. And the
parts which Imitate the Menses and the Sperm, are not pre-
cisely the same; the former, being the external Parts of the
Attire, and the Sap, which feeds them; the latter the small
Particles or moyst Powder which the External inclose.
3) Joh. Rajus, Historia Plantarum generalis. Tomus pri-
mus, London 1693, lib. I, p. 17. Nachdem er die in der
vorigen Anmerkung citirte Stelle aus Grew wiedergegeben
hat, fährt er fort: Haec si ita sint, non similitudine aliqua
duntaxat, sed revera et stricte loquendo sexu diflferunt plantae
illae, quarum aliae semen absque fiore, aliae (ab ejusdem
plantae semine ortae) florem absque semine producunt. Tales
sunt in Arborum genere Pahna dactylifem, Saliccs pleraeque
ex nostra observatione et secundum Plinium etiam Cedrus
major: in Herbarum, Lupulus salictarius, CannabiJ^, Cynocrmnhrj
Mercurialis, Phyllon, Urtica, Spinachia, Scmmoidcs Clusii,
aliaque non pauca.
4) Joh. Christoph Sturji (1635 — 1703), seit 1669 Pro-
fessor der Mathematik und Physik in Altdorf. Die hier ge-
meinten Schriften sind:
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56
Anmerkungen.
Physicae couciliatricis conamina, Altdorf 1684 und
Skiagraphia qiiaedam diduccndi alias uberius argumenti
de plantarum animallumque generatione. Altdorf 1687.
5) Der Ausdruck apices für Antheren (hier immer mit
Staubbeutel übersetzt) findet sich zuerst bei RA.nJ8 (conf.
Anm. 3, 1. c. p. 17) mit diesem bestimmten Sinne: Capitula
sive cacuminula staminibus incumbentia, ajnccs dicuntur; Mal-
pighio staminum capsulae. — Capitula staminum nenut sie
JuNGius. Der Ausdruck apices kommt, aber ohne eigentliche
Definition, auch schon bei Spigelius (Isagoge in rem herba-
riam, Patavii 1606, p. 14) vor und dieser citirt sogar den
Peinius mit den Worten: In Kosae floribus staminula, flosculos
aurei coloris appellavit Palladius, Plinius luteos apices.
0) Hierzu vergleiche man: Joachim Jungii Doxoscopiae
physicae minores sive Isagoge physica doxoscopica (Hamburg
1662), Part. 2. Sect. 3. Fragm. 4. Caput 3 de Flore, wo im
2. Abschnitt die Ausdrücke des Theophrast besprochen und
übersetzt werden: »flores alii lanuginei [yvoiöäri), nt omnium
fere Spicam gerentium, alii foliis constant [(pvlküdif), ut Legu-
minum« [ebenso übersetzt Gaza die Stelle dos Theophrast".
Gleich darauf heisst es: »nunc quaeritur, utrum Flos Lanu-
gineus sit qui Muscosus dicitur Penae et Lobelio, Ceusio,
Dodonaeo, et Daeechampio et Mosecht Tabernaemontano. c
Im Anfang des folgenden Abschnittes fährt dann Jungius fort:
»Sunt et Flores quidam falso staminei dicti, qui rectius ex
Flosculis Cavis sive Fistulis arcte farcti sive Fistulosi dice-
rentur. Stamimi dici possunt, qui solis Staminibus constant,
ut Secalis (Rogken) etc.* Die fälschlich flores staminei ge-
nannten sind die Seheibenblüthchen der Compositen, da
Jungius sagt: »Ita Cuusius Stamineos Flores tribnit Carduo
Molli Primo (Rarior. Plant. Hist. I. 5. c. 41) et Cirsiis (ejusd.
1. c. 40)« etc.
7) Fabius Columna, Ovtnßäaavog sive plantarum aliquot
historia, Neapoli 1592: gleich bei der Besprechung der ersten
Pflanze, Isopunmi Dioscoridis (Akeley) heisst es: floris folium
TtfTcÜMV intelligendum, nam idem Dioscoeides in capite de
Unguento Rosaceo ait, l‘odiov aßQoyiov ctQi&itöi ylXia 7it-
rcī, Rosarum non madidarum numero mille folia.
8) Salmasius, ein französischer Kritiker (1588 — 1653).
Eine seiner zahlreichen Schriften ist betitelt: Plinianae exer—
citationes in Caji Julii Solini polyhistoria.
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Anmerkungen.
57
9) Der Ausdruck y.Qoy.iuöeg findet sich bei Dioscorides
in seiner Matena Medica lib. I, cap. 26: ireQi xQoy.of.icty-
fiarog (crocomagma ist das, was bei der Bereitung des Saf-
franöls übrig bleibt). Es heisst von diesem y.Qoxofiayua:
iari . . Iv TiJ) öte^rjvai S/.avioz XQOXCoösg tijv yQÖar, was
Matthiolus übersetzt: madefactum croci colorem rcddit. —
y.QOxiodrfg heisst saflfranfarbig.
1 0) Die betreffende Stelle im Ovid steht in Metamorphoseon
über in, V. 509 — 510, wo es nach der Verwandlung des Nar-
cissus heisst:
. . . croceum pro coi'pore florem
inveniunt, foliis medium cingentibus albis.
Aureus Amellus wird von Vikgil in Georgien 4, 27 1 erwähnt:
Auch auf Wiesen erblüht ein Gewächse — den Namen
Amellus
Gab ihm ein Ackersmann — von Suchenden leichtlich
zu finden:
Denn als mächtiger Wald entsteigt es dem einzigen
Stocke ;
Gülden die Blum’ an sich, doch zwischen den Blättern,
die zahbeich
Wallen umher, glänzt scliillernd der Pui-pur dunkler Violen.
Georg Wolfgang Wedel schrieb ausserdem de Amello
Vergilii (Jena 1680) und de herbis germanis Ovidii (,Iena 1689);
was es mit dem Melilotus für eine Bewandtniss hat und auf
welche Schrift hier angespielt wird, geht aus der Stelle nicht
hervor, die deswegen auch nicht ganz klar ist (»sed quem
Melilotum determinans D. Wedelifs clarius illustrat«).
11) Valeriana graeca Dodonaeus = PoJemonium comdmm
L., wegen der Aehnliclikeit der Blätter früher zu Valeriana
gestellt; conf. Bauhin, Pinax, Valeriana coerulea. Lysimachia
lutea = Lysimachia thyrsiflora L. oder L. vulgaris L. oder
L. punctata L.
12) Das Vorkommen Ozähliger Blüthen bei Datura ist wohl
nicht so selten und dem Verf. wird eine solche ßzählige
Blüthe Vorgelegen haben. Bei den Solaneae sind hexamere
Blüthen mit trimerem G 3 ’näceum häufig (nach der Angabe von
Wettstein in Engler-Prantl’s natürl. Pflanzenfamilien.)
13) Der Iris werden 9 Blumenblätter zugeschrieben, offen-
bar, weil Verf. die drei blattartigen Narben dazu rechnet.
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58
AnmerknngeD.
14) Verf. nennt die Kreuzblüthler tetoapetali siliquosi
(Rajus; herbae Höre tetrapetalo siliquosae), die tetrapetali pa-
pilionacei sind die Papilionaceen, indem die Carina für ein
Blüthenblatt gerechnet wird; warum er ihnen nur 5 Staub-
gefässe zuschreibt, da die ihm bekannten meistens 10 be-
sitzen, ist fraglich; vielleicht ist es ein Gedächtnissfehler,
indem er sich nur an die grössere Anzahl Staubgefässe er-
innerte und glaubte, es wären 8 entsprechend den scheinbar
4 Blumenblätern.
15) J. R.\jus, Historia plantarum. T. I, lib. I, cap. X (p. 17):
»Sunt autem flores tarn copiosa habentes stamina, ut eorura
numerus non facile possit iniri, staminoso idcirco dicendi; ut
Ranunculo, Papavere etc.«
16) Diese Stelle findet sich einige Zeilen weiter als die
in der vorigen Anmerkung citirte. Von Borago sagt Rajus
(lib. X, p. 493): Ilujus notae sunt semina riigosa, flores stellati
laciniis acutis, apicibus in umbonem acutum coeuntibus.
17) Mälpighi, Anatome Plantarum (London 1675) p. 4S
im Capitel De floribus, Erläuterung zu Tab. XXX: »In arbo-
rescente malva (fig. 180) a floribus umbilico A, tnbulosum
Corpus B ascendit, quod suiculi instar, multiplices staminum
petiolos C promit; interior autem concavitas stylo occupatur,
ejusque tubae D prominent.«
18) P. Hermann (1646 — 1695) beschreibt und bildet ab
in seinem Horti Academici Lugduno-Batavi Catalogus (1687)
ÄÜhaca ricini folio virginüma (p. 23), eine Art, die ich später
nicht wieder erwähnt gefunden habe, und Altham indica folio
vitis flore amplo pendente (p. 28), die nach LiNNE als Hibisetm
i'iHfolius zu bezeichnen ist. Da Hermann zur Zeit, als Caaie-
RARius auf seinen Reisen nach Holland kam, Professor zu
Lej'den war, so kann er wohl von diesem als präceptor be-
zeichnet werden. — Uebrigens ist die ersterwähnte Althaea
jedenfalls weder Ilibisnis ricini folius noch H. virginicu.t , sie
ist kleinblrtthig und vielleicht eher eine Pavo7iia: sie sieht der
F. ColumcUa Cav. (Cav. Diss. tab. 48, fig 3) sehr ähnlich.
19) Die Abbildungen (Taf. 37 — 42) und Beschreibungen
(Cap. de Seminum generatione, 1. c. p. 57 — 63 beziehen sich
auf verschiedene Pflanzen: Amygdalun u. Verw., Cucurbita,
Laurus, Linum, Faha, Pimmi, Triticum, Corylus, Castanca.
20) Julius Caesar Scaliger (1484 — 1558), Commentator
des Hippokrates, Aristoteles und Theophrastus.
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Anmerkungen.
59
21) Der Greis wird corycisch genannt nach dem Berge
Corycius in Pamphylien.
22) Verf. nennt diese Pflanzen: F'rumentiim Tnrcicum (=
Zea 3{ais), Lachryma jobi (— Coix lacri/ma nach Linne),
Ricinus (= Rvinus communis), Heliotropium tricoccum (=
Ricinoides ex qua paratur Tournesol Gallorum nach Tourne-
FOKT, also = Chroxophora [Croton] tinctoria], Ambrosia (wahr-
scheinlich = Ambrosia marUima, bei Hermajjn, 1. c. p. 32
— 35 beschrieben und abgebildet, denn bei Ambrosia sind die
Köpfchen eingeschlechtlich, bei Artemisia (■ampestris, die auch
als Ambrosia bezeichnet wird, aber nicht), Arctium (wahr-
scheinlich = Xanthium, denn dieses hat eingeschlechtliche
BlUthen, jenes nicht; da Bock für die Klette, Arctium Lappa,
auch den Namen Xanthium anführt, ist die umgekehrte Be-
nennung nicht zu verwundern.)
23) Ilortus medicus et philosophicus. Francofurti a.M. 1588.
24) Hikron. Bock, Kräuterbuch: UI. Theil, cap. 66, p. 865.
Baumnuss: Sobald der Nussbaum sein zart rot Laub, welches
in der ersten vast wol reucht, herfür stosst, so kommen gleich
auch mit dem Laub lange Zapffen, das ist der Nuss getreid,
nach demselben kriechen die grünen Nüsslein auch herfür, . . .
25) Kajus, Historiae Plantarum lib. II (Londini 1693),
p. 1419: Salix Julis seu nucamentis e midtis vasculis semina-
libus compositis, qu.ae semen continent ....
26) JuNGius, Isagoge phytoscopica (Coburg 1747), p. 26:
»in Queren iulus staminibus constans antecedit flosculum pur-
pureum, qui rudimento fructus conjungitur.
27) Moritz IIoff.uann, Florae Altdorffmae deliciae syl-
vesti'es sive Catalogus plantarum in agro altdorffino locisque
vicinis sponte nascentium etc. Altdorffi 1677. Die citirten
Worte finden sich in dem Artikel über Abies.
28) Ephemerides Germanicae, Dec. III. Annus I (1694),
Obs. 120 (nicht 121 wie Camerarius citirt): Dn. Lic. Jacobi
Augustixi Hünerwolffii, De Antepilepticorum praeseiüm
pulveris farinacei ex corylo efl'ectu diverso.
29) Die Stellen aus Matthiolits und Magxol brauchen
hier wohl nicht citirt zu werden; die betreflTende von Magnol
findet sich in seinem Botanicum Monspeliense etc. (Monspelii
1686) p. 187 unter Nux jiiglans.
30) Gemeint ist wahrscheinlich Hieronymus Brunsthwygk
VON Sai.ern oder Jerontmus Braunschweig mit seinem über
de arte distillandi, Strassburg 1500. — Die Stellen der anderen
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60
Anmerkangen.
hier citirten, meistens älteren Autoren anzuführen, halte ich
nicht für uothwendig, da die Sache für uns kein besonderes
Interesse mehr hat: die Alten haben eben die Kätzchen der
Waldbäume, das an ihnen wachsende Moos und die Flechten
theils mit denselben Namen bezeichnet, theils wohl auch be-
grifflich verwechselt.
3 1 ) Die Stelle ist eigentlich nur theilweise übersetzt, denn
der Ausdruck; ßQveiv est florere non quolibet flore, sed denso
et conferto ist im Deutschen nicht gut wiederzugeben; dann
folgt das, was hier übersetzt ist.
32) Gemeint ist Lycopodium clavatum^ was mit Sicherheit
aus den von Bock in seinem Kräuterbuch angeführten Namen
hervorgeht; Muscus teiTestris clavatus C. Baithin = Lyco-
podium = Beerlapp oder pes ursinus etc., nebst Abbildung.
Mit »keulenförmiges Kätzchen« habe ich das von CAMERAUirs
gebrauchte Wort Clavus übersetzt, statt dessen man freilich
clava (Keule) erwarten sollte. Clavus hat eine sehr mannig-
faltige Bedeutung, aber keine, die hier den richtigen Sinn
gäbe, wie clava, so dass mir hier ein Irrthum des Yerf. oder
ein Druckfehler vorzuliegen scheint. Bock sagt (1. c.): »Im
Brachmonat stosst diss Gürtel oder Seilkraut gälc runde zäpf-
lein, gleichs lang, gantz mälbecht, nicht anderst, dann die
Hasel zäpflein, oder getreid, . . .«
33) Der Ausdruck: cyprisches Pulver findet sich erklärt
in G. Sv. Wedklii de Medicamentorum compositione extempo-
ranea . . . über (.Jena 1693), Sect. III, Cap. V, p. 204; Per-
tinet huc et usus pulverum capitalium, quos, a radice cyperi,
cyprios vocant . . . Die neuere Pharmaeie kennt ihn nicht ;
zuletzt habe ich ihn gefunden bei J. A. MruKAY, Apparatus
Medicaminum (Gottingae 1790), vol. V, p. 488, wo es von
dem Pulvis lycopodii heisst, dass es bei der intertrigo infan-
tium efficacissimus est et tutior longe . . . pulvere cyprio
insperso. Die Verwendung des »muscus quercinus« zur Be-
reitung des »pulvis cyprius nobilissimus« wird angegeben in
Aeexii Pkdemoxtaxi de secretis libri (Basileae 1560) p. 114.
34) Auistoteles, Hist, animal, lib. IX, cap. 40, de gene-
ribus apum etc., sagt cd filv itvO-offoQ(waiv\ in lateinischer
Uebersetzung lautet die Stelle: singulis autem muneribus se
distribuunt, ut .aliae flores convehant, aliae extruant, aliae
poliant fauos, et dirigant.
35) Niminim sui ipsius vicarius erit heisst die Stelle mit
Beziehung auf bryon \icarium fioris agnoscit: ich kann sie nur
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Anmerkangon.
61
so verstellen, wie ich sie dem Sinne nach in der Uebersetzung
iviedergegebeu habe.
3G) Das Giornale de’ Letterati a Parma habe ich nicht
naclisehen können, jedoch aus London, wo es sich in der
Bibliothek des British Museum befindet, durch die Güte des
Ilenn Sclateii Folgendes erfahren: Die Acta Anglica, auf
die daselbst Beziehung genommen wird, sind die Philosophical
Transactions, vol. XV, 1686, p. 1 156 — 1158, und die betref-
fende Abhandlung ist von Geokge Garden (aus Aberdeen):
Extract of the second letter (to Dr. Middleton, concerning
monsü'ous births, pebbles and the proboscis of Bees) ; in dem
Brief sagt der Autor, dass die Bienen in den >globulets« der
Blüthen das Material für ihr Wachs einsammeln.
37) Der >nobilis Autor Georgicae curiosaet ist Wolf-
gang Helmhard Freiherr von Hohberg (1612 geh. in Ober-
Thumritz, 1688 gest. zu Regensburg). Die »Georgien curiosa
oder Unterricht für den Landbau fürs adelige Land- und Feld-
Leben auf alle in Deutschland übliche Land- und Ilaus-Wirth-
schaften gerichtet* erschien zuerst in Nürnberg 1682 in zwei
gi’ossen Foliobändeu. In der deutschen Biographie wird es
»ein im grossartigen Stile angelegtes kameralistisch-ökonomisch
und landwirthschaftlich-technisch wie historisch-politisch bedeut-
sames Werk« genannt.
Johann C. Colerus (geb. gegen das Ende des 16. Jahr-
hunderts in Goldberg in Schlesien, gest. 1639 als Prediger in
Parchim) ist bekannt durch sein »Haushaltungsbuch*, das 1609
in Folio erschien und mehrfach, auch unter dem Titel Oeco-
nomia ruralis et domestica herausgegeben worden ist, das
erste vollständige Werk über die Oekonomie in Deutschland.
38) OviDiüs Montalbanus, ein italienischer Medicus und
Physicus (geb. ca. 1600, gest. 1672 in Bologna), gab unter
Anderem heraus: Ulyssi Aldrovandi dendrologiae libri duo
collecti et digesti.
39) Oratio de quereuum gallis. Vergl. Einleitung p. IX,
Nr. 8.
40) Wahrscheinlich Moses Charas, ein Medicus zu Paris,
dessen Pharmacopoea regia gallenica et chj’mica 1683 zu
Genf erschien. Die Stelle findet sich vielleicht auch in einem
anderen seiner Werke.
41) JoH. Run. Camerarius, S}Tloges memorabilium medi-
ciuae et mirabilium naturae arcanorum Centuriae sedecim.
Argentorati 1652. Das Citat ist nicht richtig, sondern die
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62
Anmerkungen.
betreffende Stelle findet sich Centuria V, Pars LXX, Plantarum
nomina maris et faemina, quo sensu habenda; >Ex eodem
stipite funditur seinen, quod partim evadat mas, partim faemina.»
42) JüACii. JuXGivs, Opusciila botanico-physica (Coburg
1747) p. 153 in De Plantis doxoscopiae physicae minores,
Addenda.
43) Kräuterbucli; Von Hanflf. Cap. CV.
44) Eine ilhnliche Stelle lautet in der Uebersetzung von
Gaza (lib. II, cap. IX, Schluss): »Palmis autem foeminis mas-
culi conducunt. Hoc enim et perdurare et maturescere fructus
facit. Caprificationem, ob similitudinem quidam rem appella-
nint, quae sic fieri solet. Dum mascula floret, spatha abscissa,
qua flores emergunt, protinus, ut lanuginem et florem et pul-
verem continet, super fructum foeminae decutiunt. lila sic
ea aspersione afficitur, ut suos fructus nullo pacto amittat,
sed cunctos conservet. Unde fit, ut bifario adjumento mas
esse foeminae valeat. Fnictiferam enim foeminam vocant.
Sed altcrum veluti coitus, alterum ratione alia contingit.« Da-
I)ei bezieht sich das zweite alterum auf Ficus, von welcher
die Caprification in demselben Kapitel beschrieben wird.
4 5) Pi.iNius (1. c.) sagt; »nec juniperi florent. Quidam
earum duo genera tradunt ; alteram florere nec fene, quae vero
non floreat, ferro protinus bacis nascentibus quae biennio
haereant; sed id falsum, omnibusque bis dura facies semper.
Sic et hominum multis fortuna sine flore est.«
46) Die angeführten Worte von Bock stehen auch in der
alten Ausgabe von 1546, mit dem Zusatz; »wie ich dann
selbs war hab genommen*. In der lateinischen Uebersetzung
von Kybku (Strassburg 1552) heisst es: »Majo mense tenuis-
simus ac luteus pulvis e Juniperis in auras avolare conspicitur,
quod Semen illius esse adverti.« Hier ist also zuerst fälsch-
licherweise Blütlie mit semen übersetzt. — Johanxks Bauhix
(Historia plantarum universalis Ebroduni 1650, T. II, lib. IX,
p. 294) fügt dann, indem er mit den Worten inquit Tragus diesen
Satz citirt, hinter semen in Klammern florem hinzu. Vorher
hat er die männlichen Blttthen beschrieben und ganz passend
mit den Köpfchen von Equisetum verglichen, er nennt aber die
blühende, keine Beeren tragende Pflanze die weibliche. Von deu
männlichen Blüthen meint er: »tantum florum apparatum, quasi
ad ostentationem comparatum, uullus fructus sequitur, sed in
auras abiens, pulvisculus vanam baccarum spem eludit.» Ra.ji:s
dagegen (hist, plant. T. II. London 1693 p. 1411) sa^;
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Anmerkungen.
63
»nostra sententia flosculi hi non ad ostentationem tantum sed
ad U3um comparati: siquidem pulviscnlus öorum apicibus in-
clu8U3 feminanim baccis aspersus spermatis masculini modo
iis foecundandis inservit. Consentit Tragus inquiens, Maio
raense tenuissimus ac Intens pulvis e Juniperis in auras evo-
lare conspicitnr, qnod seinen illius esse animadverti. [J. Bau-
HiN’US perperam pro semine florem scribit.]«
47) Vergl. Anm. 27. Die citirten Worte beziehen sich
auf die beiden hier unterschiedenen Arten Morus fructu nigi'o
und fructu albo (1. c. p. 43). Vor: ineunte vere nucamentum
praelongum parturiens ist aber eingeschaltet Pseudosycomorus
RuelL, womit, nach Linxe, sonst Melia Azedarach bezeichnet
wird ; hier geht es wohl auf Morus, der wenigstens von Galen
auch av/.äiuvov genannt wird.
4S) Botanicum Monspeliense (vergl. Anm. 26) p. 152 unter
Laurus vulgaris. Der französische Ausdrnck Baguier scheint
jetzt nicht mehr gebräuchlich zu sein. Der Lorbeer ist häufig
diöcisch, aber die männlichen Blüthen bilden keine Kätzchen
oder Trauben.
49) Lingua avis officin. sind Früchte der Esche; die citirte
Stelle findet sich in Hoffmaxx’s Catalogus (vergl. Anm. 24)
p. 26 unter Fraxinus.
50) Kajus (Hist, plant. T. II, lib. XXX, cap. II. 1702): Fraxi-
num duplicem faciunt nonnulli, marem seu sterilem quae flos-
culorum racemos nigros dumtaxat fert et foeminam seu fertilem,
quae semen seu linguam avis dictum produeit. Nos in Fraxinis
verno tempore ejusmodi florem stamineorum congestorum race-
mos observavimus, ante folia erumpentes et bre\ä evanescentes :
nec tarnen infrugiferae (quantum meminimus) fuerunt hae ar-
bores verum post flores etiam fructus protulerunt, quod et
Parkinsonus aftirmat.« — Fraxinus excelsior ist bekanntlich
polygam.
51) Opuscula botanico-physica (Coburg 1747), p. 145.
Cap. IV. VII. 19. JuNGius bezieht sich hier niclit nur auf
Fraxinus, sondern auch auf rein diöcische Pflanzen, von denen
er vorher Taxus, Populus, Juniperus u. a. nennt. Den Aus-
druck: videntur arbores hujusmodi sero florcscere habe ich
auf das Alter der Bäume (>erst wenn sie älter sind«), nicht
auf die .Jalireszeit bezogen.
52) De Floribus radiatis discoideis vergl. Einleitung p. IX
unter Nr. 7. Die in der citirten Abhandlung genannten Arten
sind Ptarmica Austriaca, Xcranthemon Ilermannus vocat.
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64
Anmerkungen.
(= Xeranthemiim anmmm L.j und flos solis (= Heliantlms
rmnuus L.) »propagatio ipsanim non a seminibuü radio, sed disco
subjectis, quibus efficacia apicum conspergi contigit, speranda
sit< d. h. bei diesen sind nur die Scheibenblüthen fruchtbar, die
Randbliithen aber unfruclitbar. Bei QmpJialium und Carlina
(im Texte) betrachtet er offenbar irrthümlieherweise die blumen-
blattartigen Hüllblätter als Randblüthen; was er aber im Texte
von den rudimentären Früchten der Randblüthen sagt, kann
sich nur auf Xeranthemiim und Helianthus beziehen.
53) Mai>pigiii 1. c. Tab. XXVU, Fig. 154, welche 1) einen
Längsschnitt durch das ganze Köpfchen, 2) eine sterile Rand-
blüthe, 3) eine fertile mittlere Blüthe sehr schön darstellt.
54) JuNGius (1. c. p. 26) sagt: 2) Flos perfectus est, qui
folio, staminibus et stilo constat, quamvis stilus rudimeuto
fructus cohaeret. 3) Flos imperfectus est, qui harum partium
aliqua caret.
55) JoH. Bapt. Ferrari 1584 — 1655. Sein Werk: Flora
seil de florum cultura libri IV ist ursprünglich italienisch ge-
schrieben. Es liegt mir eine editio nova accurante Bernh.
Rottexdorffio (Amstelodami 1664) in lateinischer Sprache
vor. Das citirte Kapitel (IV, 8) ist das letzte des (mit schönen
Kupfern ausgestatteten) Buches und ist überschrieben Mutatae
florum formae. Der Lehrmeister des Verf. in dieser Sache
heisst PoLYUORUs Neruccius.
56) RA.rus. Hist, plant, lib. I, cap. XI: de flonim diffe-
rentiis: e Joach. Juxgii Isagoge Phytoscopica, additis et mu-
tatis nonnullis.
57) Pentapetaloideae nach Rajus (Hist, plant, lib. XX):
flore pentapetaloide seu monopetalo pentapetalum simulante.
Ausser Ncrium führt Cajierarius als Beispiele für diese Classe
an : Paralysis , Auricula ursi , Clematis. — Herba paralysis
Brunf., H. p. vulgaris Tragi, H. p. v. altera = Prhnuh verin
nach Bock, welcher in seinem Kräuterbuch bemerkt: »Bei
den Apoteckern und ihren Meystern heisst diss gewächss herba
paralysis« und auch über die Namengebung von Bruxfei.8
daselbst spricht (im Kapitel 66 von Schlüssel-Blumen). Auri-
cula ursi ist nach Lixxe Priynida auriciilata. Unter Clematia
muss, da die eigentlichen Arten keine sympetale
fünfspaltige Blumenkrone haben, CI. daplmoides gemeint sein,
die nach Lixxe ist = Vima minor.
58) Diese Bezeichnungen sind ebenfalls dem Rajus ent-
nommen:
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Anmerkungen.
65
Zu Papposae lactescenteä vergl. Hist, plant. Tom. III, lib. V:
Herbas floro composito in qiiatuor genera dividimus : pii-
mum est earum, quae flore sunt planifolio, natura plerunque
pleno . . . sufficit huic generi pro characteristica Flos
compositus lactescens, siquidem proprietas isthaec Omni-
bus et solis hujus generis inter eas quae flore composito
sunt speciebus couvenit. Secundum earum, quae flore sunt
discoide pajiposo. Tertium earum, quae flore sunt ex
flosculis fistulosis composito, cujus calix squamosus in
ventrem extumescit; Capitatae. Quartum earum quae flore
sunt discoide non papposae; Gmymbiferae.
Stellatae (I. c. lib. X, pars I) sic dictae, quia folia caulium
nodos Stellae radiantis in nodum ambiunt, = unsere
Rubiaceae.
Äsperifoliae (Tom. I, lib. X, pars U): De Herbis yvpvo-
ajcsQiug, in quibus quatuor singulis floribus succedunt
semina, Asperifoliis dictis, = unsere Barapinaceae.
Verticülatae (Tom. I, lib. XI): Verticillatae dicuntur hae
plantae quae, flosculi caulem articulatim velut verticilli
amplectuntur, foliolis interspersis, = unsere Labiatae.
UmbcUifcrae (Tom. I, lib. IX, pars U) dicuntur hoc genus
plantae, quia earum pleraeque flores gestant in ümbellae
seil Corymbi speciem dispositos, = unsere Umbelliferae.
Oi/mnovionospennae in Tom. HI, lib. IX, pars I: Herbae
monospermae gymnospermae seu gymno-monospermae ; in
Tom. I, lib. IX, pars I : De Herbis flore imperfecto, semi-
nibus nudis, solitariis, hoc est, ad singulos flores singulis;
hierher werden gerechnet: Valeriana, Valerianella, Plum-
bago, Limonium (= Statice), Mirabilis, Linaria (= The-
sium), Passerina, Agrimonia, Circaea, Pimpinella (= San-
guisorba), Thalictrum, Fumaria.
Monopetalae ist an dieser Stelle fraglich in seiner Bedeutung;
es sind sonst Sympetalae mit regelmässiger Krone, allein
er hat ja von ihnen die pentapetaloideae oben unter den
gefüllten angeführt (vergl. Kajus, tom. I, lib. XV).
Tetrapetalac siliculosae im Gegensatz zu den oben genannten
T. siliquosae. (Vergl. Kajus, tom. I, lib. XVI: capsulatas
seu siliculosas appello, quae vascula proferunt brevia,
seu simplici intus cavitate, seu dissepta, sive membrana
alveolos disterminans ad latitudinem seu planum siliquae
perpendicularis sit, sive parallela.)
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66
Anmerkungen.
Papilionaceae: Kajus, tom. I, lib. XVIII, qui est de herbis
Höre papilionaceis, seu leguniiuosis.
Bneciferae : vergl. tom. I, lib. XIII, pars U, de herbis bacci-
feris. Hier sind sehr verschiedenartige Pflanzen vereinigt:
Vacciniaccae, Asparagaccae, Solanaceae, Bryonia u. a.
Pomifeme: tom. I, lib. XIII, pars I, de herbis pomiferis:
Pomiferas voco quae fructus plantarum omuium maximos
^roducunt [non omnes illarum species, sed aliquas] coitice
crasso tectos quo a Bacciferis distinguuntur, quarum
fructus membrana duntaxat tenui vestiuntur, flores nudos,
monopetalos, margine quinquepartito , summo fructui iu-
sidentes. Es sind unsere Oiieurbitaceof , von denen Bryo-
nia zu den Bacciferis gerechnet ist.
50) Vergl. Kajus, Hist, plant. Tom. I, p. 325, No. 12.
Der genannte Th. Willisellus ist wohl nur ein Pflanzen-
züchter gewesen; ich habe über ihn keine weiteren Angaben
gefunden.
60) 1. c. p. 186. Observatio CXII. Lic. Jacob. August.
IIÜHNKHWOJ^FEii de Lilio cruento Polyphyllo et Beilide mon-
strosa. Kurze Bemerkung über die auf Tab. IV und V ab-
gebildeten Pflanzen. Die Fenerlilie hat 1663 zu Halle im
Garten des Pastors Oleakh’s geblüht. Es handelt sich oflenbar
um eine Verbänderuug, durch welche die Blätter und Blüthen
abnorm gehäuft sind.
61) »flores monopetalos difformes«, wie es an dieser Stelle
heisst, erklärt sich aus Kajus, Hist, plant. Tom. I, lib. XV,
pars II (p. 751), wo als Herbae flore inonopetalo difformi an-
geführt werden ; Linana, Pinyuicula, Antirrhinum, Aristoloclda,
Scropkularia diyitalis , Pcdicularis , Mekimpyrum , Euphrasia.
Uebrigens hat Ka.7US den Ausdruck difformis von Jungius
entnommen, der sagt: Flos simplex difibrmis est, qui unius
tantum diniensionis terminos inter se similes habet, h. e. cujus
non superiora tantum ab inferioribus, sed et anteriora a posticis
discrepant, uti sunt: Lamii, Marrubii, Salviae (Isagoge phyto-
scopica, cap. VII, 1, p. 29).
62) Kajus, 1. c. lib. I, p. 21: »Quamvis autem plerique
flores natura pleni steriles et iufoecundi sint, hoc tarnen per-
petuum non est in omnibus plantarum generibus: Caryophylli
enim pleno flore iiihilomiuus foecundi sunt. Idem etiam ob-
servatur in floribus compositis planifolio margine, per accideiis
plenis, ut v. g. Matricaria et Chqmaemela; nimirum hujusmoili
etiam foeeundos esse.
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Anmerkungen.
67
^ 63) »Tulipa serotina ramosa maxima flore pleno llavo-
vario« ist im Hortus acad. Lngdiin. Batav. p. 611 abgebildet
nnd p. 612 findet sich die hier wörtlich übersetzte Bemerkung
über die Fruchtbarkeit der Blüthe. Es handelt sich oflenbar
um eine Varietät der Tulipa Qesneriana.
64) Malpighi, 1. c. p. 44. Tab. 25, Fig. 149, Tab. 26,
Fig. 149.
65) Der griechische Name Balanstium für Granatblüthen
kommt auch bei Plinius vor; in den Apotheken waren die
getrockneten Granatenblumen unter dem Namen Balaustia, die
dicken und zähen Schalen der Fimcht unter dem Namen Mali-
corinm bekannt. (Linne’s Pflanzensystem, nach der 13. latein.
ins Deutsche übersetzten Ausgabe, Bd. III, p. 650.)
66) Vergl. Hist, plant. Tom. I, lib. I, cap. XX: de speci-
fica (nt vocant) plantarum differentia.
67) Es handelt sich um eine Varietät von Äquilegia vul-
garis (nach Linn6), über welche Rajus (Hist, plant. Tom. I,
lib. XIV, p. 707) schreibt: 5. Aquilegia degener J. B. Park.
Ger. degener virescens C. B. Aquilegiam degenerem vocat
Clusius exiguae Rosae formam aemulantes flores ferentem,
coloris vel omnino viridis vel ex viridi purpurascentis. Hu jus
florem Parkinsonus Aquilegiae roseae flore pleno similem facit,
verum exteriora petalae primae scilicet seriei reliquis interio-
ribns multo majora et latiora sunt. Hane quamvis alii speciem
degenerem faciant, Parkinsonus tarnen veram et genuinam ab
aliis distinctam Aquilegiae speciem esse vult, nec infinua
ratione nititur, siquidem semen ejus satum speeiem suam con-
stanter propagat, nec diversi generis plantas producit.
Ueber die Päonie siehe ebendaselbst p. 696. Nr. 11.
68) Fistulosi, qui naturaliter in belüde, tagete plani sunt,
flores per semina propagentur. Es bezieht sich dies auf eine
später (s. Anm. 76) nochmals erwähnte Varietät der genannten
Pflanzen. Nach Jungius (Isagoge phytoscop. Cap. 19, p. 34)
heissen bei den Compositen die Scheibenblüthen fistulares (nicht
fistulosi) und die Randblüthen plani, indem das Köpfchen der
Corymbiferen folgendermaassen beschrieben wird : Simul et
discum sive meditullium ex fistularibus et marginem ex planis
foliolis (annon floscnlis) compositum habent.
69) John Gebäude, The Herball, or generali historie of
plantes. Ed. U. Very much enlarged and amended by
Thomas Johnsox, London 1633, p. 738, Cap. 254: . . . seeds,
especially the outmost or those that stand about the edges of
OttwalU’B Klassiker. lO.'i. Q
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68
Anmerkungen.
the flouer; which beiug sowne commouly bring forth single
floures, whereas contrariwise those seeds in the middle are
lesser, and for the most part bring forth such floures as that
was from whence is was taken. Die mit den letzten Worten
gemeinte Form ist die gefüllte Calendula (C. major polyanthos
= the greater double Marigold), die erstere Form ist die mit
einfacher Bltithe (C. simplici flore = Single Marigold).
70) Vergl. Einleitung p. IX unter 4) und 0).
71) Mälpigui, 1. c. p. 31; am Schlüsse des Kapitels de
gcmmis.
72) Die citirte Stelle des Theophrastus gehört eigentlich
nicht hierher, da es sich dort um sogen. Wurzelausschlag geföll-
ter Bäume u. dgl. handelt; Quaedam [arbores] senesennt quidem
putrescuntque velocius sed ex eisdem rursus latere suo ger-
minant: nt lauri, mali, punicae et avi darum aquae pars major.
De quibus etiam cum ratione quispiam qiiaerat, eaedem ne
dici debeant an diversae etc.
73) Aristoteles, de generatione animalium lib. I, am
Ende: cum enim uniuntur et generant, insoparata redduntur
nt plantae, idque natura eorum nititim, nt unum fiat, quod
cum coeunt et conjimguntur conspicitur, unum effici animal
ex ambobus, atque ea quae semen non emittunt, diu complexa
funguntui’ venere dum conceptum constituant: ut insecta, quae
solent coire. (Nach der Uebersetzung von Gaza.) Dem Ari-
stoteles hat dabei wahrscheinlich vorgescliwebt, was Platon
in seinem Gastmahl den Aristophanes über die ursprüng-
liche Vereinigung der Geschlechter auch beim Menschen vor-
tragen lässt. Die beiden Bücher de plantis, aus denen Came-
RARius citirt, werden nach Pritzel dem Aristoteles mit
Unrecht zugeschrieben und stammen von Nicolaus Damas-
OENUs. (Ex Isaaci Ben Honain versione arabica latine vertit
Alfredus.) Eine neue Ausgabe ist 1841 -von Ernst Meyer
in Leipzig erschienen.
74) SwAMMERDAM. Die citirte Stelle stammt wahrschein-
lich aus seiner historia insectorum generalis, die später als
Biblia Naturae herausgegeben wurde. In letzterer wird der
Copulationsprocess der Schnecken ausführlich beschrieben.
C. Jul. Solinus, ein lateinischer Grammaticus, vermuthlich
im 3. Jahrhundert, hat in seinem Buche Polyhistor wesentlich
den Plinius ausgeschrieben.
Rajus, der Verf. der Historia plantarum, hat auch mehrere
zoologische Schriften geschrieben.
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Anmerkungen.
69
Martin Listek, ein besonders in der Naturgescliichte der
Muscheln und Insecten sehr erfahrener englischer Medicus des
17. Jahrhunderts.
Der Abbate Antonio Feuce Marsiu.i hatte 1683 die
Eier der Schnecken nachgewiesen.
Jou. Jacob IIauueu (1656 — 1711), ein Schweizer, hat
unter Anderem ein »examen anatomicum cochleae terrestris
domiportae cum appendice de partibus genitalibus cochlearnm«
geschrieben.
75) De generat. animal, lib. I, cap. 20: idque Empcdocles
bene rctulit suo carmine. — Von den Lehrgedichten des
Empedocles (ca. 490 a. dir. in Agrigcnt geboren) sind uns
ziemlich vollständige Bruchstücke erhalten [nnQl (pvasMg,
'/.ad^uQ^ioi und iaTQi/.bg köyog].
7(i) Im Gegensätze dazu, dass man früher auch nach dem
blossen Aussehen verwandte Arten als Männchen und Weib-
chen bezeiehnete, als jenes gewöhnlich die stärkere, als dieses
die zartere Pflanze, z. B. Filix mas und Filix femina, die
männliche und weibliche Tanne des Theophrast (vergl. Text
p. 44 und Anm. 106).
77) Aristoteles, Hist, animal., lib. VI, cap. XUI: de
partu piscium oviparorum deque sexus foemimae et maris
discrimine, und cap. XIV: de partu et generatione piscium
lacustrium fluviatiliumque.
7 8) Habvey , Exercitationes de generatione animalium
(Londini 1651). Exercit. 39: »a piscium masculorum geniturä
in aquam sparsä magnam ovorum congeriem foecundari cer-
tum est.«
79) A. VAN Leeuitoniioek, Ontledingcn en Ontdekkingen
(Leyden 1686). 16. Juli 1683 (Van de voort-teelinge des
Kik-vors etc.) p. 4 etc.
80) Augusti Quirini Rivini Observationes anatomicae
circa congressum, conceptionem, gestationem partnmque rana-
rum (Acta Eruditorum publicata Lipsiae, Calendis Maji anni
MDCLXXXVII, p. 284). Die Stelle (p. 285) lautet : »Nimirum
et ranas observavimus cum maribus siiis congredientes eo etiam
tempore, quo ovula non omnino nigi-a sed variegata compa-
i-uerunt, tumque non modo foemellanim tergo quod solennius
est, sed et abdomini incumbunt mares. Qui primus congressus
dubio procul ad impraegnanda ovula quidem valet, quod in
gallinis e. g. galli coitns, h. e. nt plura simul ova foecun-
dentui'. «
6 *
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70
Anmerkangen.
81) Wkrxkr Koi.i^finck, 1599 zu Hamburg geboren, 1673
zu Jena als Professor der Anatomie u. s. w. gestorben. In
welcher seiner zahlreichen Schriften die citirte Stelle steht,
giebt Camerarius nicht an.
82) Diese Stelle ist ziemlich dunkel, auch scheint sie mir
falsch citirt zu sein, wenigstens kann sich lib. I, cap. VII
nicht auf die Hist, plant, des Tiieophrast beziehen.
83) Kajits, Hist, plant. I, cap. X, p. 16, Malpighi, Ana-
tome, p. 55.
84) Diese schwierige Stelle lautet im Original: Qui ’prin-
cipium formationis volunt naturam, animamve plantarum, cam
hic lascivicntem vel ludentem accusabunt: Qui ad primaevam
creationcm omnia refernnt, forte a DEO creata quaedam gra-
nula seminalia concedent, tot petalis instructa, expresse in
hunc finem, ut commoda accedente fermentatione, et rcclusione
ipsorum plenitudo oculos percellat; Vel aliquot ovula ad sum-
mum caulis delata, quoad sua modo petala evolvi, reliquis
partibus in Universum Omnibus suppressis, dicent.
85) Vergl. oben Anm. 68. Hofmanx (catalog. plant, hoi-t.
mcd. altdorf. p. 10) erwähnt: Bellis nostra rarior foliolis flor.
discum ambientibus fistulosis.
86) Weitere Angaben über die kernlose Myrte sind mir
nicht bekannt geworden; so z. B. enthält Piiiupp Mieler’s
allgemeines Gärtnerlexikon nichts über diese Sorte. Ueber-
haupt hat man wohl den Früchten der Myrte wenig Beachtung
geschenkt, da sie weder im menschlichen Haushalt Verwen-
dung finden noch zur Fortpflanzung der Myrte benutzt zu
werden pflegen, die ja gewöhnlich durch Stecklinge vermehrt
wird. Von den Granatäpfeln sagt Kajus (Hist, plant. II,
p. 1462): UTivQijva dicuntur non quibus nulla inest granorum
duritia, sed quibus minor.
87) Die von Camerarius citirten Angaben über den Früh-
liiigsapfel (Malus verna), der ohue vorhergehende Blttthe ent-
stehen soll, sind also folgende:
1. Die citirte des Theophrast (de causis lib. 3, cap. 23);
auf ihn bezieht sich JoAcii. Camerarius (Hort. med. et phil.
Francf, 1588, p. 95): »Malus arbor exiguis admodum et pallidis
floribiis praedita: fnictum fert, quae vocantur poma nana id
est pumila. Habentnr etiam sine semine interius in fructu.
Theophr. 1. 3. de caus. cap. 23 meminit r^g (.ii^kiag i^Qlvrjg,
etiam Myrtus roig ^sQi-iolg uQÖevofitvrj ßeXvuov
Digilized b'_- <
Anmerkangen.
71
y.a'i u/ivQi^vog yiverca. Vide ibidem de Myrto ad balnea
iiata, fructum sine semine proferente.«
2. Gesner, Horti Germani, Stirpium appendicis emimeratio
alphabetica (Argentorati 1561, p. 193b): Malus quaedam prope
iirbem [Zürich] nostram non floret et frnctificat tarnen. Auf
diese Stelle beruft sich C. Bauhin in seinem Pinax (p. 435)
und führt einfach auf: IV. Malus non florens, fructificans
tarnen Gesn. hör. ap.
3. JoH. Bauhin (Hist, plant. Ebroduni 1650. Tom. I, p. 21)
beschreibt und bildet ihn ab unter der Bezeichnung Malus non
florida dicta. Er sagt, dass er von einem Baum aus dem
Stuttgarter Garten ein Wurzelreis in den Garten von Mömpel-
gard verpflanzt habe. Die Blüthen sind nach seiner Beschrei-
bung und Abbildung genau so, wie es K. .1. Camerarius aus
eigener Anschauung beschreibt, sie stehen in endständigen
Büscheln. Die Früchte sind dnas uncias alta, totidem lata,
angulosa, ut quaedam pene quadrata videantur, pediculo bre-
vissimo, colore luteolo, carne tenera, acidula, sapida admodum,
quod nornnt et vespae et aliae mnscae, quae Julio et Augusto,
quo tempore apud nos matura sunt, ea arrodunt. Solent
carere seminibus. Er erwähnt darauf den Frühlingsapfel des
Theouhrast und sagt, dass seine, hier beschriebene Sorte
nicht zu diesem gerechnet werden könne. (Hier stehen die
von CA>iERARiua citirten Worte in der mir vorliegenden
Ausgabe in etwas anderer Fassung.) Er citirt auch den
J. Camerarius und Gesner. — Auf den J. Bauhin beruft
sich wieder Hermann (Hort, academ. Lugd.-Batav. p. 403):
■Malus non florens fructificans tarnen C. Bauh. pin. 435. Malus
fructifera, fugaci flore Cat. Hort. Reg. Paris. 115. Malus non
florida dicta .1. Bauh. tom. I, lib. I, p. 21. ^ — Hofmann (Flor.
Altdorf. p. 40) führt ohne Citat an: Malus sine floribus poma
ferens.
Die Angalien über eine wirklich blüthenlose Apfelsorte
müssen als irrthümlich und unzuverlässig angesehen werden,
sie beruhen offenbar auf einer ungenauen Beobachtung der von
Bauhin beschriebenen Sorte, die somit eine sehr alte zu sein
scheint. Es ist dies der sogen. Feigenapfel, I^rus dioica
Moench (Verzeichniss ausländischer Bäume und Stauden des
Lustschlosses Weissensteiii bei Cassel. Frankfurt und Leipzig
1785, p. 87 — 88, Taf. V), wie schon aus der Vergleichung
der von Bauhin und Moenuh gegebenen Abbildungen und
Beschreibungen hervorgeht. Dieser Apfelbaum trägt also
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72
Anmerkungen.
wirklich nur weibliche Blttthen mit verkümmerten Petalen.
Die Blttthen konnten folglich leicht übersehen werden, wie
Moench selbst sagt: »Da die Blumen mit jungen Blättern
umgeben sind, denen sie an Farbe gleichen, so hat man sie
noch nicht deutlich bemerkt und bestimmt, ja selbst Miller,
der fruchttragende Stämme gehabt hat, ist die (lestalt der
Blume entgangen.» Philipp Miller (Allgemeines Gärtner-
Lexikon, 3. Theil, Nflrnberg 1776, p. 20 und 22) sagt, dass
der Feigenapfel in England und Nordamerika sehr gemein sei,
dass viele Leute glauben, der Apfel entstehe ohne vorher-
gehende Blttthe, dass er selbst dies aber nicht habe entschei-
den können. Er citirt auch einen Bericht darüber von
P. Dudley in den Philosophical Transactions No. 385. Koch
weist bei der Besprechung dieser Sorte (Dendrologie, Bd. I,
p. 204) auch auf BAriiiN hin und sagt, dass sie neuerdings
seltener geworden zu sein scheine. Dippel envähnt ihn in
seinem Handbuch der Laubholzkunde (Bd. III, p. 396) als eine
Soi’te der Unterart mitis von Malus communis und citirt die
Abbildungen und Beschreibungen der neueren Zeit (Moench,
MCnchhacsen, Nouveau Duhamel). Die Früchte sind nach
diesen Angaben kernlos. — De Canoolle erwähnt in seiner
Pflanzenphysiologie (Deutsche üebersetzung von Köper, Stutt-
gart und Tübingen 1835, Bd. U, p. 51) das Verhalten von
Pirus dioica als ein Hauptbeweismittel des Camerarius. Er
selbst giebt dann über eine ähnliche Apfelsorte noch Folgendes
an (p. 57): ... »ich will nur den, bei Saint- Valery-en-8omme
beobachteten, sonderbaren und missgestalteten Apfelbaum als
Beispiel anfnhren (Revue encyclopödique 1829, p. 761; —
Seringe, Bulletin botanüpie für 1830, p. 117). Zufälliger
Weise trägt dieser Apfelbaum nur Stämpel (pistillum), und
jedes Jahr holt man Blumen, welche Staubgefässe besitzen, und
streut den Blumenstanb auf die Stämpel einer weiblichen
Blume; die auf solche Weise bestreute Blume setzt Frucht
an, und die übrigen bleiben unfruchtbar. Die Einwohner des
Orts, für welche diese Operation eine kleine Festlichkeit ist,
nennen sie »faire sa pomme« (seinen Apfel machen).
SS) *Mvi^oauia^. Vinum grati odoris. Vinum odoratum.
Vel ab Anthosmio loco sic dictum vel ut a vitis genere sic
appellatum, vel snave et gratum habens odorem et generosum.«
SüTHAS, Lexicon (Cambridge 1705). T. I, p. 213.
S9) Kajus (Hist, plant. U, p. 1462) sa^ vom Granatapfel:
Keperitur singulare quoddam hujus Mali genus, quod nullum
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Änmerknngen.
73
in acinis semen contiiiet; Verum hoc accidentarium est, et ex
lusu quodam naturae.
90) Joii. Bohne, 1640 zu Leipzig geboren, daselbst Pro-
fessor der Medicin, gestorben 1718, hat eine grosse Anzahl
Schriften herausgegeben, von denen ein Theil als Exercitationes
physiologicae zusammen gedruckt worden ist.
91) JosEPHus Aromatobiüs oder de Aromatakiib, ein
gelehrter Medicus zu Venedig, hat geschrieben: Dispntatio de
rabie contagiosa, cui praeposita est epistola de generatione
plantarum ex seminibus, qua detegitur, in vocatis seminibus
contineri plantas vere conformatas, ut dicunt, actu (Venetiis
1625). Diese Epistola umfasst nur vier Seiten, ihr Hauptinhalt
wird in 17 Thesen ausgesprochen, deren erste lautet: >Plantae
determinatis temporibus prolificum semen generant; animalium
seminibus proportione respondens; ex materia quadam spiritibus
commixta.« Eine Beziehung zwischen diesem Autor und
Harvey ist mir nicht bekannt. Des letzteren Werk: Exer-
citationes de generatione animalium ist 1651 zu London er-
schienen. In der Von-ede zu demselben sagt H. ; »Prae caeteris
autem, Aristotelem ex antiquis ; ex recentioribus vero Hiero-
NYMtTM Fabricium AB Aquapendente, scquor ; illum, tanquam
Ducem; hunc, ut Praemonstratorem. « Den Joseph ab Aro-
MATARiis erwähnt er nicht. Vielleicht liegt eine Verwechselimg
von Seiten des Camerarius vor in Folge einer gewissen Aehn-
lichkeit der Namen und des Umstandes, dass die Werke des
Fabr. ab Aquapendente von dem vorher erwähnten Bohne
herausgegeben sind.
92) Nicolaus Steno, 1638 zu Kopenhagen geboren, lebte
lange in Florenz und starb 1686. Er hat viele medicinisch-
anatomische Arbeiten geschrieben.
93) SwAMMERDAM vergl. Anm. 74. Der berühmte Philo-
soph Nicol. Malebranche (1638 — 1715) handelt von der
Entstehung der Keimpflanzen in Recherche de la verite,
Tom I, lib. I, wie aus einem Citat in Christian Wolff’s
»Vernünftige Gedanken von den Würckungen der Natur«
(Halle 1723) hervorgeht. Ebendaselbst (nach der mir vor-
liegenden Ausgabe III. Theil, Cap. XU, p. 643) werden auch
citirt Honoratus Fabry (lab. 2 de plantis prop. 98 p. 55. 561,
Perrault (Essay de Physique, Tom. 3, part 3, c. 3, p. 305
edit. Par.), Sturm (Dissertat. de generatione plantarum et
animalium, Phil. Eclect. T. 2, p. 287). Vergl. die folgende
Anm. und Sachs, Gesch. d. Bot. p. 436.
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74
Anmerknngen.
PfUEKlTS ist Jo. CoxR. Peyrk oder Peier, ein Medicus
von Schafifhausen, 1653 — 1712, ebenfalls Mitglied der Acad.
Nat. Cur. — 1677 erschien von ihm zu Schaffhausen; Exer-
citatio anatomico-medica de glandulis intestinonim earumque
nsn et affectionibus , cui subjungitur anatome ventricnli galli-
nacei.
94) Hoxor.\tl'.s Fabri, ein Jesuit, 1607 in der französi-
schen Landschaft Velay geboren , schrieb ; Tractatus duo,
quorum prior est: de plantis et de generatione animalium,
posterior de homine {Nürnberg 1677).
Claude Perrault, geb. 1613 zu Paris, gest. 1688 da-
selbst. Sein Hauptwerk ist: Essais de physique ou Recueil
de plusieurs traitds touchant les choses naturelles. 4 Tom.
Paris 1680 — 1684. Tome HI; De la möcanique des animaux.
Sturm, vergl. Anm. 1.
95) Gr>;w, vergl. Anm. 2; ferner auch die von Sachs
(Geschichte der Botanik p. 412 — 414) citirte Stelle p. 152 § 6
und das von Sachs 1. c. darüber Gesagte.
96) Ji'XGius, De Plantis Doxoscopiae phj'sicae minores,
p. 143, cap. VII: »1. Maris et feminae nomine pro lubitu Bo-
tanicorum quisque uti videtur.c Dies wird in den folgenden
Sätzen dieses Kapitels an Beispielen weiter ausgeführt.
97) Kon. Morisox (1620 — 83): Bioihini hallucinationes in
pinace, seu praeliidiorum Botanicorum Pars II (London 1669).
98) Der wilde Oelbaum wird hier als nicht fruchttragend
bezeichnet, seine Früchte sind aber nur kleiner und ungeniess-
bar. Die wilde Form Olea europaea a Oleaster DC. unter-
scheidet sich auch in ihren Zweigen und Blättern von der
angebauten Form Olea europaea ^ sativa DC.
99) In der lateinischen Uebersetzung (des Aristoteles)
heisst es an der citirten Stelle; Ad haec, in testaceis atqiie
in stirpibus, quod pariat et generet, est: (|Uod autem maris
fungatur officio, deest.
100) >masculo non competente« heisst es im Original, was
man nicht gut anders anffassen kann, als es in der Ueber-
setzung geschehen ist, wenn man dazu die Stelle im Theo-
I’Hrast, lib. lU. cap. X vergleicht, wo er über Pimis unter
Anderem sagt: Foeminae tractatu omnino facile, atque mollius.
t^uae quidem oraniuni fere raariuui foeminarumqne publica
differentia est, ut caesores materiae asseverant. Quippe omnis
raas securi brevior et contortior operique difficilior est, colo-
reque nigrior. In diesem Kapitel werden die verschiedenen
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Anmerkungen.
75
Coniferen besprochen, über deren Identificirung mit den jetzt
angenommenen Arten zu vergleichen ist C. Fbaas, Synopsis
plantarum florae classicae oder Uebersichtliche Darstellung der
in den klassischen Schriften der Griechen und Römer vor-
kommenden Pflanzen (München 1845), p. 261 — 266.
101) Theophbast, Hist. Plant, lib. III, cap. IX.
102) Caspar Hofmann (1572 zu Gotha geboren, seit 1607
Professor Medicinä in Altorf, 1648 daselbst gestorben); sein
Leben ist beschrieben von Jou. Georü Volckamer (1616 zu
Nürnberg geboren und 1693 daselbst gestorben), der 1683
zum Vorsitzenden der leopoldinisch-karolinischen Akademie
der deutschen Naturforscher gewählt wurde. Dessen Schwieger-
sohn, Gottfried Thomasius (wie mir Herr Prof. S. Günther
in München gütigst mitgetheilt hat), hat, soweit mir bekannt
ist, die Uebersetzung des Theophbast nicht hcrausgegeben.
Wahrscheinlich ist er identisch mit dem Nürnberger Physicus
gleichen Namens, der, in Leipzig geboren, 1692 Mitglied der
Academia Naturae Curiosorum unter dem Namen Vindicianus
wurde und in den Ephemeriden verschiedene Observationcs
medicinischen Inhalts veröffentlicht hat.
103) Das rpvllov des Theophbast ist, nach dessen Aus-
leger Bodaeus a Stapel , Mercurialis. — Hiebon. Bock sagt
(Kräutterbuch p. 152): »Das Bengclkraut würd Mercurialis ge-
nennt . . . Das erste und gemeinste würd titulirt racemosa
und spicata dieweil die Blüet anzusehen als ein kleines träub-
Icin , oder als ein ährlein. Item Theligonos , quod faciat
O-r^XvTO/.Blv, gignere foeminas. Das andere aber testiculata,
weil es 2 sämlin in einem säcklin, als 2 Hödlin hat. Item
Phyllon aqqevoyövov, quod faciat producere aptrepa, marcs.
Dann Dioscobides, 1. 4, c. 169, und Plinius, 1. 25, c. 5,
lehren, wann die Weiber nach ihrer Reinigung von dem
Weiblin trincken, und das Kraut in die Scham legen, so ge-
bären sic Meidlin , wann sie aber gleichförmigerweise das
Männlin, oder die testiculatam Mercurialem gebrauchen, so
erzielen sie Büblin.«
Nach Fraas (1. c. p. 91, vergl. Anm. 100) ist das rpiXXnv
des Theophbast (hist, plant, lib. 9, cap. 19) und des Dio-
scobides (3, 130) als Mercurialis perennis aufzufassen wegen
des Standortes: »cpvsrai ev TtHgatg.*
104) Magnol. Die Stolle findet sich vielleicht in seinem
Prodromus historiae generalis plantarum (Monspelii 1689).
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76
Anmerkungen.
105) Nach Fraas ist Crataeogonon = Crucianella mons-
peliaca. Vcrgl. 1. c. (Anm. 100) p. 158 und 229. — Im
Tiieoi'Hrast ist cs ebenfalls lib. 9, cap. 19 beschrieben; die
Stelle dos Pmnius findet sich Ilist. nat. lib. 27, cap. 8: »Cra-
taegonon spicae tritici simile cst, mnltis calamis ex una radice
emicantibus multorumque geniculorum; nascitur in opacis semine
mili, vehementer aspero gustu, quod si bibant ex vino ante
cenam tribus obolis in cyathis aquae totidem midier ac vir
ante conceptum diebiis XL, virilis sexus partum futurum ajunt.
Et alia cst crataegonos quae thelygonos vocatur; dififerentia
intclligitur lenitate gustiis . . . Theophrastus arboris genus
intclligi voluit crataegon sive crataegona quam Itali aquifoliam
vocant. (Theophr., llist. plant. III, 15, 5.)« Die Bezeichnung
»Knabenkraut« habe ich im Lexikon gefunden für crataegis
Plinius, was oflenbar dasselbe ist wie crataeogonon in der
Bedeutung für Mercurialis pereunis. Plin. hist. nat. lib. XXVI,
cap. X: »In totum quidem Graeci, cum concitationem hanc
volunt significare, satyrion appellant sic et crataegin cogno-
minantes et thelygonon et arrenogonon quanim semen testium
simile est. «
100) lieber die verschiedenen Arten, die in zahlreichen
Gattungen mit der Bezeichnung »männlich« und »weiblich«
unterschieden wurden, erhalten wir am besten Auskunft aus
C. Bauhin’s Pinax und aus der Vergleichung der dort ge-
gebenen Namen mit den von Linke festgestellten. Auch aus
den Kräuterbüchern erfahren wir Manches darüber, uud so
lassen sich die hier angeführten Beispiele folgendermaassen
erklären :
Von Paronia haben schon Dioscorides und Pi.iNius zwei
Geschlechter unterschieden und zwar besonders nach der
Wurzel. Dies geht auch aus den Abbildungen bei Douokaeus
hervor (hist, stirp. Antv. 1616, p. 19.3); P. niaseula hat eine
rübenformig verdickte, gegliedert ästige Wurzel und ist des-
wegen rtelleicht auf P. coraUbm Rtz. zu beziehen. Bei F.
von der es wieder zwei Arten geben soll, sind die
Wurzelfasern stellenweise knollenförmig verdickt, wie bei P.
ofßmialift L. und auf diese Art wird auch von Linke P. femina
bezogen; es ist die gewöhnliche Gichtwurz. Fucus sagt in
seinem Kräuterbuch: »das mennlc nennt mau Ninivenwurtz,
welches wir noch nit gesehen haben«. Bauhin sagt von der
Paeonia majscula auch: Floris amplitudinc reliquas superat:
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Anmerkungen.
77
et herbac folia in lutioros ct pauciores virescentes particulas
dividuntui'. «
Veronica wird nach Bauiun bei den Alten noch nicht er-
wähnt. Fuchs sagt: »Das Ehrenbreiss ist zweyerley geschlecht,
mennlc und weible«; er hat nur diese zwei Arten, die er
auch abbildet. Die Veronka femhia des Dodonaeus ist nacli
Bauhin = V. pratensis serpillifolia, also V. serpyllifolia L..
V. mas ist bei Bauhin V. mas supina et vulgatissima , d. i.
V. ofßcinalis L.
Anagallk 7ua.s und -femim ist die roth und blau bhihende
Varietät von A. mrcmk L., wie Fuchs deutlich bei Be-
sprechung des Gauchheyls sagt: »Dises krauts sind zweyerley
geschlecht, weiblin und mennlin. Das mennlin hat ein rot-
zinnoberfarbs bluemlin. Das weiblin aber hat ein schön him-
melblaw bluemlin , ist sonst dem mennlin aller gestalt nach
gleich.« Nach Bauhin haben schon Dioscouides und PuiNius
dieselbe Unterscheidung gemacht.
Was dagegen bei Abrotamim von Dioscouides und Pi.i-
Nius als mas und femina bezeichnet wurde, ist nach Bauhin
nicht ganz klar und beide Autoren scheinen nicht recht tlber-
cinzustimmen. Auch aus den KräuterbUchern ergiebt sich
nichts sicheres; bei Bock und Fuchs ist die männliche oder
grosse Stabwurz jedenfalls Artemisia Ahrotanum L. (= J//ro-
tauurn 7nas bei Dodonaeus und Abr. mas angustifolium bei
C. Bauhin), die weibliche (kleine) Stabwurz scheint bei ihnen
Artemisia pontica L. zu sein. Linke aber führt Abr. femina
arboreseens des Dodonaeus und Abr. latifolium arborescens
des Bauhin als Synonym für seine Arteinisia arborescens an
und dem entspricht auch die Abbildung bei Dodonaeus.
Bei Cornus hat Linke die Bezeichnung mas beibehalteu,
während seine Carnus sangninea der C. femina des C. Bauhin
und Dodonaeus entspricht. Nach diesen Autoren hat Theo-
PiiUAST, die Verwandtschaft beider Pflanzen erkennend, die
G. mas L. wegen des härteren Holzes als die männliche Art
bezeichnet, die C. samjuinea L. als die weibliche; letztere
wh-d von Dodonaeus und Anderen auch unter dem Namen
Virga sangninea beschrieben.
Beim Farnkraut [Füix) schliesslich stammt die Unterschei-
dung von männlich und weiblich ebenfalls aus dem Alterthum
und ist von Linke, dem Namen nach, beibehalten worden,
sein Polypodium filix mas ist Asjndium filix mas Sw., sein
P. f. fcmiiui — Asplcnium filix femina Bernli. , die letztere
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Anmerkungen.
Art wurde als weiblich angesehen, weil ihre Blätter niedriger
und feiner geschnitten sind: Cameeukiüs erkennt dies nicht
als eine Begründung an.
107) Petri Laurembergu Rostociuensis Horticultura,
libris II comprehensa. Francofurti ad Moenum 1654. Caput X.
Sexus Plantarum. Die Unterschiede der Geschlechter sind
nach Verf. 1) est corporis constitutio ... 2) est accidens
aliquod insigne, sic mala Persica, quorum carnes ab ossibus
absistunt, censentur fi'uctus Persicae foeminae: quibus firmiter
adhaerent, masculae. 3) Est figura ... In Cydoniis quae
oblonga sunt assignantur mai'ibus, rotnnda foeminis. Galli
masculo adjudicant pulpam pallidam, foemellae candidiorem.
4) Est fructus. Cannabis, spinachia, pluraque alia, quae
semen ferunt, dicuntur foeminae: quae sterilescunt, mares.
108) C. Bauhin, Pinax p. 15 — 16: Equisetum palustre
brevioribus foliis polyspermum: 7coXvyovov — Hoc
communiter sine semine repentur, aliquando ad singulas arti-
culorum commissuras dena et plura semina (hinc polyspermum)
adnascuntur. — Jedenfalls sind die Knollen gemeint, welche
sich bei Equisetum palustre an den tieferen senkrechten Rhizom-
ilsten einzeln oder meistens in quirligen, kurzen, rosenkranz-
artigen Ketten finden.
109) Wo dieser beherzigenswerthe Ausspruch des berühmten
Physikers Robert Boyle (1627 — 1691) steht, ist mir nicht
gelungen zu ermitteln.
110) Das Wort > Akribie« wurde in der Uebersetzung an-
gewendet, weil Verf. im Texte statt des lateinischen Ausdnickes
ic/.qißein sagt.
Prurk von Breitkopf K Hürtel in Leipzig.
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